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Kanban ist eine Methode, mit der sich tolle Fortschritte erzielen lassen. Erfahren Sie, für wen Kanban in Frage kommt und wie es eingesetzt wird.
Das Wort Kanban stammt ursprünglich aus dem Japanischen und ist – wie auch Lean Management – eine Methodik, die ihre Wurzeln bei Toyota hat. Taiichi Ohno führte es zum ersten Mal ein, um Produktionsprozesse effizienter zu gestalten. Wörtlich übersetzt, bedeutet Kanban so viel wie „Schild“ beziehungsweise „Kärtchen“.
Im Gegensatz zur klassischen, zentralen Produktionssteuerung werden die Fertigungsabschnitte in Teilbereiche gegliedert. Sobald Einzelteile, die für die Fertigung gebraucht werden, verbraucht sind oder eine Mindestmenge erreicht ist, bestellt die entsprechende Stelle (im Kanban „Senke“ genannt) mit Hilfe einer Kanban-Karte Nachschub. Diese werden von der vorhergehenden Produktionsstufe (im Kanban „Quelle“ genannt) bereitgestellt. Dieses Verfahren ist vergleichbar mit Regalen im Geschäft. Der Bereitstellungsort trägt daher auch den Namen „Supermarkt“.
Kanban ermöglicht es, bei Produktionsschwankungen individuell auf den gesteigerten oder verringerten Materialbedarf zu reagieren. Sobald ein Zwischenteil in der Produktionskette weniger wird, kann unkompliziert nachgeordert werden, was vor allem für Firmen mit geringer Variantenvielfalt von großem Vorteil ist. Für Unternehmen, die dagegen nur wenige Fertigungsschritte Ihrer Produkte benötigen, ist Kanban schwieriger anwendbar, aufgrund der geringeren Anzahl standardisierter Prozesse im Fertigungsablauf.
Je genauer sich die Nachfrage nach einem Produkt bestimmen lässt, desto sinnvoller ist es, dieses mit Hilfe von Kanban-Methoden zu fertigen. Bei Sonder- und Einzelanfertigungen ist die Methode weniger lukrativ.
Durch die Nutzung der Karten entsteht im Produktionsprozess ein kleinerer Unterbereich, der sich sozusagen selbst reguliert. Immer wenn Teile entnommen werden, wird der Bedarf aufgefüllt. Über die kürzeren Bereitstellungswege und unter zu Hilfenahme einfacher Informationskarten können die Transportwege reduziert werden.
Das primäre Ziel von Kanban ist es demnach, Kosten zu reduzieren. Die kleineren Lagerbestände aufgrund der höheren Bereitstellungseffizienz und Geschwindigkeit führen zu weniger eingesetztem Kapital und höherer Flexibilität.
Die Einführung eines Kanban-Systems ist zunächst mit hohem logistischen Aufwand verbunden. Hitoshi Takeda sieht folgende Maßnahmen als essenziell, um Kanban im Produktionszyklus zu integrieren.
Es muss eine Fließfertigung aufgebaut werden
Die Losgrößen müssen verkleinert werden, mit dem Ziel der bedarfsgemäßen Produktion
Geglättete Produktion, denn Schwankungen entlang der Produktionsstufen stellen immer eine Kettenreaktion dar, die höhere Bestände und Verschwendung mit sich bringen würde
Verkürzung und Vereinheitlichung der Transportzyklen
Kontinuierliche Auslastung der Produktionsphasen
Eine eindeutige, einfache Bezeichnung aller Materialien, Adressen und Produkte, damit jeder Artikel seinen Weg findet
Sinnvolles Behältermanagement, das den nachfolgenden Prozess berücksichtigt
Damit Kanban reibungslos funktioniert, müssen sich sowohl die Quelle als auch die Senke an einige Regeln halten. Es darf beispielsweise nicht auf Vorrat produziert werden und der Besteller darf nicht vorzeitig Nachschub bestellen, da sonst das gesamte Prinzip ins Wanken geraten würde. Das System erfordert demnach ein hohes Maß an Verständnis und ist für alle Beteiligten recht schulungsintensiv.
Wenn Sie das System starten, wird es nicht wie gewollt funktionieren. Das ist völlig normal, und wir setzen uns ein unerreichbares Ziel, wenn wir glauben, es ginge doch.
Aber nach Mike Rothers Auffassung, kann man dadurch erkennen, welche Teilbereiche verbessert werden müssen. Kanban hilft, die Probleme aufzudecken und so können sie nach und nach beseitigt werden.
Einfach nur Kanban-Karten oder Andon-Tafeln einzuführen heißt nicht, dass Sie das Toyota Produktionssystem implementiert haben, denn diese Hilfsmittel bleiben nichts weiter als Werkzeuge.
Die Etablierung von Lean in produktionsfremden Bereichen ist nicht immer einfach. Man kämpft mit anderen Problemen und steht vor veränderten Herausforderungen, doch es gibt Ansatzpunkte, die Ihnen helfen, Lean und Kanban trotzdem erfolgreich zu leben.
Florian Eisenberg ist Experte für Kanban in der Wissensarbeit. Seine langjährige Erfahrung macht ihn zu einem gefragten Berater für alle Probleme und Einführungsfragen. Er hat für uns die Probleme erläutert, mit denen man konfrontiert wird und gibt Ihnen Tipps und Lösungsansätze an die Hand, die Sie nutzen sollten, um Kanban in der Wissensarbeit zu implementieren.
Lean ist in der Produktion quasi zum Standard geworden, man muss sich schräg angucken lassen, wenn die eigene Produktion noch nicht mit 5S-Methode, Kanban, Just-in-Time und A3-Report funktioniert. In der Wissensarbeit – von Entwicklung über Administration bis zu Wartungsaufgaben – ist man noch nicht so weit.
Die Softwareentwicklung hat mit agilen Methoden etwas gefunden, mit dem sie Effektivität vor Effizienz stellt. Die populären Methoden wie Scrum werden immer wieder in unterschiedlichen Szenarien mehr oder minder erfolgreich ausprobiert, auch über die Softwareentwicklung hinaus. Das ist natürlich sinnvoll, denn zu experimentieren und von anderen zu lernen ist wichtig.
Die Probleme, mit denen wir in der Wissensarbeit konfrontiert werden, sind andere als in der klassischen Produktion. Schon die Vorbedingungen unterscheiden sich: Häufig sind die Prozesse in der Produktentwicklung, Administration, dem Marketing oder dem Vertrieb naturgegeben unscharf. Es müssen Rückfragen gestellt, Klärungen herbeigeführt, Entwürfe besprochen, Prototypen erprobt und die Resultate verarbeitet werden. Es treten variable Engpässe durch hochspezialisierte Mitarbeiter auf, die Urlaub haben, krank werden oder schlichtweg überlastet sind.
Viele Unternehmen sind so aufgestellt, dass der Wertstrom der Wissensarbeit quer und unsichtbar durch das Unternehmen verläuft. Sie sind verschiedenen Führungskräften untergeordnet, die die Aktivitäten ihrer Mitarbeiter untereinander koordinieren müssen, um den unsichtbaren Wertstrom am Laufen zu halten. Der Wertstrom ist auch eher ein Prozess zum Erarbeiten von Informationen oder Wissen als ein Produktionsprozess.
Darüber hinaus tritt meistens viel Nacharbeit auf: Qualitätsmängel an der einen oder anderen Stelle, die häufig erst nach Abschluss der Arbeit auffallen. Es existieren keine Mechanismen, um sie zu erkennen und systematisch zu beseitigen.
Da die Arbeitseinheiten in der Wissensarbeit keine greif- und sichtbaren Güter sind, ist es häufig schwierig, die Menge an wartender, blockierter und unterbrochener Arbeit zu überblicken. Die wenigsten Unternehmen sind dazu in der Lage, die Menge paralleler Arbeit zu quantifizieren. Was in einer Produktion durch Zwischenlager und sich stapelnde Zwischenprodukte deutlich wird, verschwindet in der Wissensarbeit in E-Mail-Systemen, elektronischen Ticketsystemen und auf To-do-Listen einzelner Mitarbeiter.
„Die größten Produktivitätssteigerungen verstecken sich nicht in den Handgriffen der Mitarbeiter, sondern im Fluss der Information.“
Die Durchlaufzeit der einzelnen Arbeitseinheiten wird durch die langen Wartezeiten der Arbeit, die durch Warteschlangen, Blockaden und Unterbrechungen entstehen, extrem verlängert. Eine Flusseffizienz, der Anteil der Bearbeitungszeit zur gesamten Durchlaufzeit, von 5 bis 15 Prozent ist beispielsweise in der Softwareentwicklung eher ein Standardfall als außergewöhnlich.
In vielen administrativen Prozessen sieht das ähnlich aus. Diese langen Durchlaufzeiten führen natürlich zu erhöhten Risiken von Änderungen, bei den Kundenwünschen – denn wer will schon jetzt Produkte haben, die er vor sechs Monaten oder länger bestellt hat – oder auch auf technisch/fachlicher Seite. Durch lange Durchlaufzeiten entstehen Verzögerungskosten, die in der Wissensarbeit signifikant sind, aber selten quantifiziert und beachtet werden.
Mit welchen Problemen kämpfen wir nicht?
Mir sind schon einige Versuche untergekommen, Lean-Methoden direkt aus der Produktion in die Wissensarbeit zu übersetzen. Da werden die Laufwege von Mitarbeitern optimiert und die Druckerpositionen angepasst. Mitarbeitern wird vorgeschrieben, was sie wie auf ihrem Schreibtisch zu positionieren haben – alles, um die Arbeitsabläufe schlanker zu gestalten und Verschwendung zu vermeiden. Im besten Fall sind diese Änderungen wirkungslos, in den schlechteren Fällen haben sie Auswirkungen auf Kooperation und Kommunikation. Dabei sind beides extrem wichtige Punkte in der Wissensarbeit. Darüber hinaus sind es auch noch vollkommen falschen Stellhebel.
Die größten Produktivitätssteigerungen verstecken sich nicht in den Handgriffen der Mitarbeiter, sondern im Fluss der Information. Genauso wie Puffer und Zwischenlager in der Produktion für die Durchlaufzeit schlecht sind, müssen wir in der Wissensarbeit erst die parallele Arbeit optimieren, bevor wir uns an Spielereien wie Standardisierung von Arbeitsabläufen wagen dürfen. Das können wir ganz losgelöst davon betrachten, wie sinnvoll diese überhaupt für kreative Prozesse in der Wissensarbeit sind. Platt gesagt kann ein stickiges Büro voller Pizzakartons mit fünf Nerds in unergonomischer Sitzposition durch kurze Informationswege und geringe Puffer produktiver sein als ein vollkommen prozesskonformes Zusammenwirken von optimierten Mitarbeitern.
Warteschlangen, Blockaden und Unterbrechungen sind für den Fluss der Arbeit schädlich. Wie bereits erwähnt, ist es aber in der kreativen Wissensarbeit gar nicht so leicht, die schädlichen Auswirkungen zu sehen – die Arbeitseinheiten sind im Gegensatz zur Produktion unsichtbar. Aus diesem Grund ist einer der ersten Schritte zur Problemlösung, die Arbeit zu visualisieren.
Dies geschieht häufig durch die sogenannten Kanban-Boards, die sich aber von den Kanban-Boards in der Produktion unterscheiden. David Anderson wählte 2010 den etwas ungünstigen Namen „Kanban“ für seine Methode, mit der der Fluss der Arbeit verbessert werden soll und so ein höherer Kundennutzen erzielt werden soll. Ungünstig war die Wahl, weil er eine Bedeutungsumkehr vornahm: In der Produktion sind die Kanban-Karten das Pull-Signal, in der Wissensarbeit ist die Karte die Repräsentation der Arbeit und das Fehlen einer Karte ein Pull-Signal.
Auf den Kanban-Boards in der Wissensarbeit wird die Arbeit als einzelne Karten in ihrem Arbeitsablauf dargestellt. So werden Warteschlangen und Blockaden sichtbar und es wird möglich, die Arbeit auf ein gesundes Maß zu begrenzen. Mit der Begrenzung der Arbeit – WIP-Limit genannt – wird ein virtuelles Kanban-System geschaffen: Die Menge an paralleler Arbeit wird begrenzt und nur so viel Arbeit wird von den einzelnen Aktivitäten angenommen, wie sie verarbeiten können. Ist Kapazität frei, wird mit einem Pull-Signal Arbeit von der vorhergehenden Aktivität angenommen.
Um die Probleme nachhaltig zu beseitigen, werden verschiedene Feedbackzyklen benötigt. In den Zyklen wird über die aktuelle Arbeitslast und die eigene Fähigkeit, diese abzuarbeiten, reflektiert. Da sich die Wertschöpfung häufig auf viele verschiedene Stellen im Unternehmen verteilt, werden Feedbackzyklen auf verschiedenen Ebenen benötigt: Von der Gesamtübersicht und dem gemeinsamen Zusammenwirken aller beteiligten Einheiten bis zur Leistungsfähigkeit der einzelnen beitragenden Teams, Abteilungen und Individuen.
Ein WIP-limitiertes (work in progress) Pull-System führt dazu, dass nicht mehr Arbeit in das System gerät, als es verkraften kann. Auf Dauer kann die Menge paralleler Arbeit sogar so weit reduziert werden, dass nur noch ganz wenig Arbeit angefangen wird – ohne einen Einbruch im Durchsatz. Die Warteschlangen werden massiv gekürzt und die Arbeitseinheiten müssen vor ihrer Bearbeitung nur noch kurz warten. Blockaden im Arbeitsfluss werden dann allerdings umso deutlicher – das Äquivalent zum Produktionsmitarbeiter, der auf Qualitätsmängel hinweist. Treten zu viele Blockaden gleichzeitig auf, wird der Fluss gestoppt. Die Blockaden können dann kurzfristig durch aktiven Eingriff behoben werden und mittel- bis langfristig durch eine systemische Intervention vermieden werden.
Die Begrenzung der Arbeit bedeutet aber auch, dass nicht mehr neue Arbeit angefangen wird, als bearbeitet werden kann. Das Arbeitssystem stabilisiert sich und wir können eine fundierte Aussage über die Fähigkeit und die auf dem System liegende Last treffen. Liegt die Fähigkeit unterhalb der Anforderung, existieren zwei Handlungsoptionen: Wir können uns einfach damit arrangieren und schrauben unsere Anforderungen herunter oder die Fähigkeiten werden erhöht. Der zweite Punkt ist ein langfristiges und eventuell kostspieliges Unterfangen, denn es kann die Einstellung und Ausbildung neuer Mitarbeiter bedeuten. Aus Sicht des Flusses der Arbeit und der Verzögerungskosten kann aber genau das wirtschaftliche Vorteile bringen. Die Wirtschaftlichkeit lässt sich am sinnvollsten auf oberster Ebene, bei Strategie und Portfolio, begutachten.
Gerade aus diesem Grund müssen die verschiedenen Feedbackzyklen so ineinandergreifen, dass eine ganzheitliche Optimierung des Arbeitsflusses durchgeführt werden kann: Die Optimierung muss immer aus Sicht der Gesamtwertschöpfung passieren. Für die Optimierung ist ein guter Überblick hilfreich – die Visualisierung hilft, die Notwendigkeit für kurzfristige Interventionen deutlich zu machen, und zeigt immer wieder Probleme im Fluss auf, die mittel- oder langfristig gelöst werden müssen.
Mit Kanban hat David Anderson eine Möglichkeit geschaffen, auch in der kreativen Wissensarbeit Verschwendung durch Warteschlangen, Blockaden und Arbeitsunterbrechungen herauszustellen und darauf zu reagieren. Visualisierungen, die Begrenzung von paralleler Arbeit und die Feedbackzyklen stellen drei von sechs Kernpraktiken dar.
Konzepte aus der Lean Produktion werden nur sehr zaghaft übernommen, weil die Wissensarbeit inhärent eine hohe Variabilität besitzt und kreative Leistungen statt standardisierter Arbeitsabläufe gefordert sind. Dennoch verschließt sich Kanban diesen althergebrachten Konzepten nicht. Es verwendet sie als Modelle, die auf die Arbeitswelt jenseits der Produktion angewendet werden können.
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Als Senior Marketing Managerin ist Claudia Blum Expertin für Content- und Direktmarketing. Die Sport- und Reisebegeisterte baute den Management Circle Blog mit auf und schreibt seit der ersten Stunde leidenschaftlich über die Themen Soft Skills, Personal und Produktion.
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