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Wer in Deutschland scheitert, wird verspottet. Es scheint, als habe gerade die Bundesrepublik ein Problem mit Misserfolgen. Kein Wunder, dass deshalb viele nicht über ihr Scheitern sprechen möchten. Doch aus Fehlern lässt sich bekanntlich auch lernen. Bei FuckUp-Nights wird deshalb das Scheitern als Show zelebriert. Angefangen als Idee in Mexiko-City hat sich das Konzept innerhalb nur weniger Jahre in der ganzen Welt verbreitet – auch hierzulande.
Vor allem in Deutschland scheint man ein großes Problem mit Misserfolgen zu haben. Bereits unser Schulsystem ist darauf ausgelegt, keine Fehler zu machen. Die Schülerinnen und Schüler werden nach Fehlern benotet und nicht nach dem, was sie gewagt haben.
Auch die deutsche Bürokratie ist so aufgebaut, dass es Gescheiterten schwerfällt, wiederaufzustehen. Denn der Schufa-Eintrag verhindert selbst Jahre nach einer Insolvenz, dass eine Bank weitere Kredite ausstellt. Selbst das Unterschreiben eines Handyvertrags oder das Wechseln des Stromanbieters wird für insolvente Unternehmer zum Problem.
Zu diesen bürokratischen Problemen kommt häufig auch noch die Verachtung der Mitmenschen hinzu. Manchmal entscheiden sich gescheiterte Unternehmer sogar, aus der Heimatstadt wegzuziehen, weil sie von der Bevölkerung wegen ihres Scheiterns stigmatisiert werden.
Diese Belastungen könnten gehemmt werden, wenn Deutschland eine andere Fehlerkultur annehmen und auch die Banken anders mit Misserfolgen von Gründern und Unternehmern umgehen würden. Denn Scheitern muss nichts Negatives darstellen! Auch das Scheitern bringt Erfahrung. Einige Unternehmen konnten erst große Erfolge feiern, nachdem sie einmal auf die Nase gefallen waren.
CB Insights, eine auf Startups spezialisierte Datenbank, hat analysiert, aus welchen Gründen die meisten jungen Unternehmen scheitern. Die Analysten betonten zwar, dass es sich immer um eine Anhäufung von Ursachen handelt, die zum Scheitern führt. Dennoch stellten sie drei Hauptursachen in den Vordergrund.
Der häufigste Grund sei laut CB Insights die fehlende Nachfrage. Viele neue Unternehmen lieben ihr Produkt, fragen sich jedoch nicht, ob dieses Produkt auch von den Kunden gewünscht wird.
An zweiter Stelle steht die Finanzierung: 29 Prozent der untersuchten Startups ging schlicht das Geld aus.
Die dritthäufigste Ursache ist das Team. Bei 23 Prozent waren Probleme im Gründerteam die Ursache für das Startup-Aus.
Durchschnittlich komme das Ende eines Startups laut CB Insights Untersuchung nach 20 Monaten. In Deutschland bleiben nach Angaben des Bundesverbands Deutscher Startups lediglich 30 bis 50 Prozent der Startups dauerhaft bestehen. Andere Studien besagen sogar, dass neun von zehn Startups scheitern.
Das Scheitern von Unternehmen sollte in einem neuen Licht erscheinen. Denn wer scheitert, der lernt auch dazu. Dieser Gedanke ist zumindest schon in der Gründerszene angekommen. Seit 2014 gibt es deswegen die sogenannte FuckUpNight (FUN). Bei dieser Veranstaltung treffen sich Unternehmer, um öffentlich über ihre Misserfolge zu berichten. Doch nicht nur Unterhaltung steht auf der Tagesordnung. Andere sollen von den Fehlern der Gescheiterten lernen, um nicht dieselben zu begehen. Außerdem dienen FuckUp-Nights für einige, die vorne auf der Bühne stehen, auch als Therapie. So erzählte Patrick Wagner, der eine Million Euro mit seiner Plattenfirma Kitty-yo verloren hat, dass er erst durch seinen Vortrag bei der FUN verstanden hat, dass nicht andere, sondern er selbst für das Scheitern verantwortlich war: „Es lag an meiner Arroganz und an meiner Angst davor, für meine Firma echte Verantwortung zu übernehmen.“
Entstanden ist die Idee in Mexiko. Ein paar Freunde unterhielten sich in kleiner Runde über ihre unternehmerischen Erfahrungen – darunter auch die Misserfolge. Am Ende des Gesprächs stellten alle Beteiligten fest, dass sie sich viel besser fühlten und der Austausch sehr hilfreich und befreiend gewirkt hat. So planten die Freunde ein weiteres Treffen, mit mehr Freunden und Bekannten. Die FuckUp-Night war geboren! Und sie verbreitete sich wie ein Lauffeuer auf der gesamten Welt. Mittlerweile finden diese Veranstaltungen in über 252 Städten statt, darunter auch in Düsseldorf, Frankfurt und Berlin sowie auch kleineren Städten wie Gütersloh.
Welche Städte dabei sind, können Sie auf der offiziellen FUN-Website erfahren: https://fuckupnights.com/cities
In Frankfurt am Main fand Anfang 2016 die bis dahin zweitgrößte FuckUp-Night der Welt statt. 1.000 Menschen versammelten sich in der Goethe Universität und hörten Geschichten über das Scheitern von beispielsweise Christian Lindner, Bundesvorsitzender der FDP. Nur in Mexiko-Stadt sind mehr Menschen zu einer FuckUp-Night erschienen. Normalerweise liegt die Zahl der Besucher bei durchschnittlich 150 bis 300 Personen.
FDP-Bundesvorsitzender Christian Lindner über sein Scheitern
Christoph Kruse über den privaten Radiosender 90elf
Albert Pusch über ein Projekt und sein Startup Simmobi
Florian Hofmann über sein Smartphone-Bezahlsystem Paij
Holger Heinze über sein E-Commerce Startup monagoo
Wenke Gillner-Fiedler über einen Online-Store
Weltweit ist das Vorgehen der Events relativ ähnlich: Drei oder mehr Speaker erzählen an einem Abend, wie sie ihr Unternehmen in den Sand gesetzt haben. Der Vortrag soll dabei nur zehn bis fünfzehn Minuten dauern und mindestens drei Lessons enthalten, aus denen die Zuschauer etwas lernen können, denn wer scheitert, der lernt auch dazu. Oft sind die Themen und Geschichten bewegend, aber meistens auch sehr komisch. Nicht selten wird ein Taschentuch dazu verwendet, die Lachtränen aus dem Gesicht zu wischen. Nach dem Vortrag gibt es auch immer eine Fragerunde. Alles in allem handelt es sich um eine lockere Atmosphäre, wo auch gerne das ein oder andere Bier getrunken wird.
So unterschiedlich die Wege auch sind, scheitern kann man überall: Als digitaler Unternehmer, Künstler oder Handwerker. Deswegen können alle voneinander lernen.
Die Veranstaltungen sollen dabei helfen, das Scheitern nicht mehr zu stigmatisieren. Während man unter Gründern gescheiterten Unternehmern Respekt entgegenbringt, wenn diese mit einer neuen Idee einen Neuanfang wagen, sind Menschen fernab der deutschen Gründerszene noch mehr als nur kritisch. Die Herausforderung liegt also darin, genau diese davon zu überzeugen, dass das Scheitern nichts Negatives darstellt. Denn im Factbook Gründerland Deutschland des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie wird nachgewiesen, dass zwar nur elf bis achtzehn Prozent der befragten Unternehmer nach einem Misserfolg einen weiteren Versuch starten, die Erfolgsquote derjenigen, die sich für einen zweiten Anlauf entscheiden, allerdings ungewöhnlich hoch ist.
Für das Ergebnis des Factbooks gibt es zahlreiche Beispiele allein in Deutschland. Lars Hinrichs ist heutzutage bekannt als erfolgreicher XING-Gründer, der sein internationales Kontaktnetzwerk für 48 Millionen Euro verkaufte. Was viele jedoch nicht wissen, Hinrichs scheiterte 2001 mit einem Startup, einer PR- und Kommunikations-Agentur für Internet-Startups. Die 1999 gegründete Böttcher-Hinrichs AG musste schon nach zweijährigem Bestehen Insolvenz anmelden. Heute gibt er das Team als Ursache an, also den dritthäufigsten Grund laut CB Insights Analyse. Mit zwei Chefs war das Projekt zum Scheitern verurteilt gewesen, denn in einem Unternehmen könne nicht wie in einer Demokratie abgestimmt werden. Außerdem sieht Lars Hinrichs heute sein Scheitern überaus positiv: „Nur aus einer negativen Erfahrung kann etwas Neues entstehen“.
Daher ist es umso wichtiger, dass Deutschland eine andere Fehlerkultur entwickelt, um weiterhin Erfolge zu feiern. Denn im schnellen Zeitalter der Digitalisierung gehört das Potenzial des Scheiterns dazu. Nur mit Risikobereitschaft können Innovationen und auch Erfolg erschaffen werden. Hat man jedoch so große Angst vor dem Scheitern, sodass nichts Neues ausprobiert wird, dann ist das gleichzusetzen mit Stillstand. Und diesen will wohl keiner.
Das Konzept der FuckUp-Nights geht schon mal auf: Anders als Banken reagieren beispielsweise Business Angels (also private Geldgeber) anders auf Niederlagen. Seit Patrick Wagner öffentlich über Misserfolge spricht, werde er vermehrt von Investoren angesprochen, verriet er gegenüber der Welt.
Isabella Beyer ist Content Marketing Managerin bei Management Circle. Mit ihrer Leidenschaft für kreatives Schreiben ist sie für die Erstellung von hochwertigem Content für Fach- und Führungskräfte in Text- und Videoform zuständig und hat bereits zahlreiche Marketingkampagnen erfolgreich umgesetzt.
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