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Für Hans-Jörg Eyl sind effiziente Abläufe in seiner Funktion als Lean Koordinator eine Herzensangelegenheit. Er verrät uns im Interview, wie sich die Instandhaltung künftig verändern wird und welche Rolle Agilität dabei spielt. Erfahren Sie außerdem, welche Voraussetzungen dafür nötig sind.
Herr Eyl, in wieweit, würden Sie sagen, ist Lean auch in der Instandhaltung angekommen?
Das ist sehr unterschiedlich. Bei einer Vielzahl der Unternehmen besteht noch eine große Lücke zwischen dem wünschenswerten Best-Practice-Zustand und der aktuellen Situation, die ich vor Ort antreffe. Ich möchte allerdings ausdrücklich betonen, dass viele Unternehmen beziehungsweise die für die Instandhaltung verantwortlichen Personen sehr engagiert an der Verbesserung ihrer einzelnen Tätigkeiten und Arbeitsabläufe arbeiten. Die größte Herausforderung sehe ich in dem Konflikt zwischen Optimierungsbestrebungen und dem sogenannten „Tagesgeschäft“. Gleichzeitig finden wir dort auch die so begehrten Hebel der größten Wirksamkeit.
Was sind die Megatrends der Arbeitswelt und wie wird sich die Instandhaltung aus Ihrer Sicht verändern?
Das ist eine sehr spannende Frage. Da ist zunächst einmal die bereits im Gange befindliche strukturelle Veränderung der Arbeitswelt, Stichwort „VUKA“. Abgekürzt lässt sich das wie folgt zusammenfassen: Die Arbeitswelt wird insgesamt schneller und zunehmend unbeständig. Selbstverständlich gab es schon immer Veränderungen und den Drang zur Beschleunigung, allerdings nehmen die Anforderungen, die an die Akteure gestellt werden, eine neue Qualität an. Das liegt nicht zuletzt an der steigenden Komplexität. Im Bereich der Instandhaltung sehe ich ganz konkret vier Themenfelder, die einer intensiveren Auseinandersetzung bedürfen:
Da wären zunächst die Menschen mit ihren Kompetenzen. Aus meiner Sicht wird es eine besondere Herausforderung, die aus der veränderten Arbeitswelt hervorgehenden Anforderungen mit den Interessen und Kompetenzen der nachfolgenden Generationen in Einklang zu bringen.
Zweitens die Umsetzung der Industrie 4.0. Hier reichen die Szenarien von einer Verweigerung oder Ignoranz der Digitalisierung der Arbeitswelt bis zu einer fast abgöttischen Bewunderung jedes noch so trivialen digitalen Gimmicks. Als Beispiel möchte ich hier den Ruf nach einer papierlosen Instandhaltung nennen. „Erst das Tablet und dann (vielleicht irgendwann) schauen wir uns die Prozesse mal an“.
Das dritte Themenfeld werden Daten als strategische Ressource sein. Damit ist zum Beispiel die Erfahrung und das Wissen der Instandhaltungsabteilung ebenso wie das Know-how der Maschinenhersteller gemeint.
Als viertes und zunehmend bedeutsames Themenfeld sehe ich den innerbetrieblichen Stellwert der Instandhaltung. Wird es der Instandhaltung gelingen aus dem Schattendasein der Produktion herauszutreten? Darin sehe ich deutlich mehr Chancen als Risiken.
Wie sieht die agile Instandhaltung aus und was braucht die Instandhaltung wirklich?
Mein Motto diesbezüglich lautet:
Die Kunst liegt im Weglassen, nicht im Hinzufügen.
Klingt zunächst einfach und irgendwie logisch, doch leider scheint dieses Motto in der Praxis nur allzu selten zur Anwendung zu kommen. Ich werde Ihre Frage nach der Agilität nur indirekt beantworten, indem ich Ihren Blick auf ein zentrales Konzept lenken möchte. Ich nenne es zentrales Konzept, weil es in vielen verschiedenen Optimierungsansätzen zum Tragen kommt. Es handelt sich um die Kundenfokussierung. Wenn es uns gelingt den Kunden wirklich – und ich meine wirklich, wirklich – wieder in den Mittelpunkt unserer Aktivitäten zu rücken, dann ergeben sich daraus sozusagen automatisch die erforderlichen Schritte hin zu einer schlanken, effizienten und ja, auch agilen Instandhaltung.
Können Sie uns ein paar konkrete Beispiele aus Ihrer Praxis nennen, wie agile Organisation in der Praxis funktioniert?
Dazu möchte ich zunächst einmal den Begriff der „Agilität“ etwas näher erläutern. Agilität bedeutet für mich, dass sich eine Organisation (zum Beispiel die Instandhaltungsabteilung) flexibel auf Veränderungen einstellen und dann schnell reagieren kann. Ein wesentliches Element dazu ist die Selbstorganisation. Wenn Arbeitsteams erst tausend Anträge stellen und sich durch Hierarchien durcharbeiten müssen, können sie nicht schnell agieren und reagieren. Insbesondere das „Agieren“ wird zunehmend an Bedeutung gewinnen. Schauen Sie sich einmal die Situation der Instandhaltungsabteilungen in den mittleren und großen Unternehmen an.
Was passiert, wenn die Auslastung des Unternehmens sprunghaft steigt oder ebenso sprunghaft sinkt? Oder wenn beispielsweise eine Reorganisation stattfindet? Oft reicht es schon aus, dass eine Führungskraft das Unternehmen verlässt oder eine neu dazu kommt. Ich beobachte nicht selten, dass Abteilungen dadurch in ihrer Leistungsfähigkeit deutlich geschwächt werden. Manche werden dadurch sogar an die Grenze ihrer Leistungsbereitschaft gebracht. Und dann schauen Sie sich einmal Organisationen an, in denen autonome oder zumindest teilautonome Arbeitsteams tätig sind. Solange an deren Arbeitsrahmen keine wesentlichen Veränderungen stattfinden, arbeiten diese Teams sehr flexibel und äußerst resistent gegenüber Störungen in ihrem Umfeld. Ein bekannter organisatorischer Ansatz, um diese Kompetenzen in der Instandhaltung zu etablieren, ist unter anderem der Ansatz der dezentralen Anlagen- und Prozessverantwortung. Oder auch das den meisten Lesern bekannte TPM-Modell.
Abschließend möchte ich noch anmerken, dass jedes Unternehmen und jede Organisationseinheit individuell betrachtet werden müssen. Es gibt keine Pauschallösungen für die Anwendung agiler Instandhaltung. Lernen Sie zunächst das Problem zu verstehen, bevor Sie über Lösungen nachdenken! Wie das genau funktioniert, darüber spreche ich ausführlich in meinen Seminaren.
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