Weiterbildungsangebote, Praxistipps und Expertenmeinungen bequem per E-Mail – für einen leichteren Alltag!
Betriebliches Gesundheitsmanagement ist schon lange mehr als reiner Arbeitsschutz und die Förderung des örtlichen Fitness-Studios. Vielmehr geht es um ganzheitliche Maßnahmen, die Ihr Team gesund halten und Zufriedenheit schaffen. Lesen Sie im Interview mit unserer Expertin Nadine Hoffmann von Coca-Cola European Partners Deutschland GmbH, wie modernes BGM funktioniert und welche Maßnahmen Sie als Vorgesetzter jetzt kennen und nutzen sollten. Marc Uhmann von der Fraport AG verrät außerdem, wie sich die Ursachen für Krankheiten verändert haben und wie Sie die Maßnahmen des Betrieblichen Gesundheitsmanagements tatsächlich messen und steuern können.
Herr Uhmann, die Maßnahmen im Rahmen des Betrieblichen Gesundheitsmanagements sind sehr vielfältig. Was sind Ihrer Meinung nach die Trends?
Mindestens eines der großen Nachrichtenmagazine titelt wöchentlich mit einem Gesundheitsthema. ‚Hells bells war früher – heute gilt health sells‘ – dieser Trend ist und bleibt ungebrochen. Dabei gaben die Themen Fitness und Ernährung die Basis des Betrieblichen Gesundheitsmanagements, Expertenwissen bildet nunmehr den Rahmen.
Neu hinzugekommen sind richtigerweise die Themen psychische Gesundheit, Entspannung, Resilienz und Ausgleich sowie gesunder Schlaf. Ungebrochen ist der Trend, Gesundheitsangebote des Arbeitgebers auch extern zu vermarkten. Bei immer länger werdenden Erwerbsbiografien – von 17 bis 67 – müssen sich Arbeitgeber auch um die Gesundheit und damit um die Beschäftigungsfähigkeit der Belegschaft kümmern.
Haben sich die Ursachen für Krankheit und Fehlzeiten verändert?
Menschen sehen in der Arbeitswelt 4.0 tendenziell eher keine Entlastung, sondern eine höhere Belastung. Die Ursachen sind sicherlich in Überlastungsthemen und mangelndem Ausgleich zu suchen – allerdings bleibt sehr strittig, ob diese privat oder beruflich induziert sind. Gesundheit bekommt immer mehr nicht nur die körperliche und seelische sondern auch die soziale Komponente: Wie geht es mir im Team? Wie geht mein Arbeitgeber mit mir um? Werden Veränderungen direkt kommuniziert oder erfahre ich sie aus der Presse? Werde ich zuhause oder im Urlaub angerufen oder kontaktiert und bekomme Arbeitsaufträge?
Wie kann man als Unternehmen hier vorbeugen?
Ich bin der Meinung, dass es besser ist, von einer Fehl- statt Überlastung zusprechen. Die Menschen sehnen sich nach weniger Stress und Entschleunigung und danach, irgendwann einmal nicht erreichbar zu sein. Generell ist es wichtig, die Mitarbeiter bei der Frage einzubinden, wie Arbeit in Zukunft gestaltet sein soll. Letztlich hat das Thema Betriebliches Gesundheitsmanagement auch für die Mitarbeiterbindung eine große Bedeutung. Interessant ist dennoch, dass viele Beschäftigte jahrelang ohne oder nur mit einer Handvoll krankheitsbedingten Fehltagen ihr Umfeld gestalten – das ist schon bemerkenswert.
Wie könnten sich auch kleinere Unternehmen im Betrieblichen Gesundheitsmanagement engagieren?
Das Setting Betrieb ist ein ideales Handlungsfeld, Gesundheitsthemen an Beschäftigte aktiv zu adressieren. Auch kleine und mittlere Unternehmen können und müssen von der Etablierung eines eigenen Betrieblichen Gesundheitsmanagements profitieren. Es lohnt auf jeden Fall, wenn sich dort eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter – wenn auch nur teilweise – mit Gesundheitsthemen beschäftigt und diese an die Belegschaft kommuniziert.
Gesundheitsangebote im Betrieb unterstützen Rekrutierungs- und Bindewirkungen.
Sie werden künftig einer der wichtigsten Faktoren, um die Beschäftigungsfähigkeit zu gewährleisten und Wettbewerbsvorteile zu generieren. Bei ähnlichen Gehaltsstrukturen in konkurrierenden Unternehmen könnten Arbeitgeber ihre Attraktivität erhöhen, wenn sie Arbeitnehmern ein nachhaltiges Gesundheitskonzept anbieten.
Wie können einzelne Maßnahmen wirklich gemessen und gesteuert werden?
Eine positive und gesundheitsfördernde Gestaltung des Arbeitsplatzes und des Umfeldes haben unter anderem eine positive Wirkung auf den Krankenstand und die Verbesserung des Betriebsklimas zur Folge. Dies ist mittlerweile beweisbar. Streng anonymisierte Berichte der Krankenkassen und systematische eigene Analysen helfen, das Arbeitsunfähigkeitsgeschehen im Betrieb noch besser zu begreifen. Daraus lassen sich innovative Handlungsstrategien ableiten.
Bei der Coca-Cola European Partners Deutschland GmbH geht man inzwischen innovative Wege des Betrieblichen Gesundheitsmanagements, die sich beispielsweise auch durch die Digitalisierung ermöglicht haben, wie Nadine Hoffmann berichtet. Erfahren Sie auch, wie sich diese Maßnahmen messen lassen und wie man dort speziell die psychischen Ursachen für Krankheit zu vermeiden versucht.
Frau Hoffmann, würden Sie sagen, dass es heute andere Maßnahmen braucht, um im betrieblichen Gesundheitsmanagement erfolgreich zu sein?
Ich denke wir befinden uns im betrieblichen Gesundheitsmanagement auf einer kulturellen Reise, die noch lang nicht abgeschlossen ist und sich immer wieder in neue Richtungen entwickeln wird. Kommend vom Arbeitsschutz und der Implementierung gesetzlicher Grundlagen, spielt heute eine ganzheitliche Gesundheitskultur innerhalb des Unternehmens eine viel wichtigere Rolle. Dabei sind stets neue Ausrichtungen hinsichtlich der innerbetrieblichen Zielgruppen und veränderten Ansprüche der Beschäftigten notwendig. Beispielsweise ort- und zeitunabhängiges Arbeiten hat heute eine ganz andere Bedeutung als noch vor 10 Jahren. Auch stehen dem Betrieblichen Gesundheitsmanagement heute ganz andere Möglichkeiten in Bezug auf digitale Gesundheitsangebote offen. All dies ist eine Chance, erfordert aber auch die Bereitschaft sich stetig neu zu erfinden, um erfolgreich zu bleiben.
Welche innovativen Konzepte wenden Sie in Ihrem Unternehmen an?
Ein neues Projekt, welches wir unternehmensweit etablieren, ist beispielsweise die digitale Rückenschmerztherapie mit Kaia Health. Wir haben gelernt, dass klassische Rückenschulen und Präventionskurse von unseren Beschäftigten nur bedingt angenommen werden. Bei dem neuen Projekt wird eine medizinische Therapie in einer App integriert, welche sich täglich an die Bedürfnisse und Gesundheitssituation der User anpasst.
Die Ergebnisse in unseren Pilotstandorten waren sehr positiv und haben eine deutliche Verbesserung der Schmerzsituation und der Schlafqualität gezeigt. Daneben setzen wir auch in anderen Bereichen immer stärker auf digitale und damit orts- und zeitunabhängige Angebote.
Ein weiteres Thema, das viele Gesundheitsmanager in Unternehmen beschäftigt, ist die Frage nach der Messbarkeit und den richtigen Kennzahlen im BGM. In diesem Zusammenhang planen wir in diesem Jahr bei der CCEP DE einen Health Index einzuführen. Dieser soll als proaktives Steuerungstool vor allen Führungskräften helfen ihre Aktivitäten und Angebote zu managen.
Welche Maßnahmen können Unternehmen hier implementieren?
Ein wichtiges Instrument im Bereich mentale Gesundheit in unserem Unternehmen ist das Employee Assistance Program (EAP). Unsere Mitarbeiter können sich zu beruflichen und privaten Fragestellungen rund um die Uhr von Experten wie Ärzten, Anwälten oder Therapeuten beraten lassen. Das EAP trägt somit wesentlich dazu bei, unsere Mitarbeiter in Balance zu halten und sie mit konkreten Hilfestellungen in schwierigen Lebenssituationen zu unterstützen.
Darüber hinaus denke ich, dass die psychische Gefährdungsbeurteilung, so sperrig sie auch klingt, mit dem richtigen Konzept eine echte Chance für Unternehmen ist, psychische Belastungen zu reduzieren. Grundvoraussetzung dafür ist, dass eine qualitativ hochwertige Analyse durchführt und anschließend Mitarbeiter und Führungskräfte an der Entwicklung von Lösungen beteiligt werden. So kann ein Instrument entstehen, auf dem sich verschiedene BGM Maßnahmen aufbauen lassen. Viele Unternehmen haben BGF oder BGM Angebote, oft ist jedoch der rote Faden beziehungsweise die ganzheitliche Strategie dahinter unklar. Der bunte Blumenstrauß zeigt dann nicht die gewünschten Effekte, da die Ausrichtung auf die Bedürfnisse der Zielgruppen und des Unternehmens fehlt.
Was ist das Besondere an diesem Konzept?
Das VORLEBEN Programm analysiert genau diese genannten Bedürfnisse der Mitarbeiter und Herausforderungen innerhalb des Unternehmens. Aus einer Befragung lassen sich grundsätzliche Tendenzen innerhalb des Unternehmens und der einzelnen Fachbereiche erkennen. Unter dem Stichwort Partizipation werden dann die Mitarbeiter aktiv in die Entwicklung von Lösungsansätzen eingebunden.
So können die Mitarbeiter sehen, dass ihre Rückmeldung ernst genommen wird und es werden tatsächlich diverse Maßnahmen in der Praxis umgesetzt. Dies erzeugt Wertschätzung und Motivation.
Im nächsten Schritt wird dann gemeinsam mit den Führungskräften ein konkreter Maßnahmenplan für den jeweiligen Bereich erarbeitet. So stehen auch die Vorgesetzten hinter dem, was umgesetzt werden soll. Denn mit ihrem Commitment und Engagement steht und fällt das Programm. Mit diesem Programm haben wir in den letzten Jahren sehr positive Ergebnisse in Bezug auf Mitarbeitermotivation, Leistungsfähigkeit und auch Absentismus erzielen können.
Danke für den tollen Beitrag!
Wichtig ist auch welche BGM Maßnahmen getroffen werden, um die Mitarbeitergesundheit zu fördern.
Liebe Grüße
Josephine Reese