Process Mining als Optimierungs-Navigationssystem – Insights der Lufthansa Group am Beispiel der Eurowings

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06. Mai 2021
Digitalisierung, Führungskompetenz, Produktion
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Process Mining? Das ist doch die elektronische Variante des Prozessmanagements. Weit gefehlt!

Diese leider allzu oft kursierende Definition lässt den wahren Mehrwert völlig außer Acht. Dabei ermöglicht Process Mining eine faktenbasierte Prozessverbesserung in Echtzeit.

Im Interview gibt Daniel Schönheim, Senior Director Lean Management, Digitalization & Processes bei der Lufthansa Group, exklusive Einblicke in die Arbeitsweise mit Process Mining und verrät praktische Tipps, wie Sie mit der Implementierung starten können.

Experte Daniel Schönheim

Daniel Schönheim

Senior Director Lean Management, Digitalization and Processes | Eurowings

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Prozessverbesserung bei Lufthansa – nicht nur „fancy“, sondern faktenbasiert

Herr Schönheim, Sie haben kürzlich Process Mining im Kontext von Business Excellence implementiert. Warum haben Sie ausgerechnet jetzt, in der größten Krise der Luftfahrtbranche, sich zu diesem Schritt entschieden?

Lassen Sie mich zunächst mit einem Mythos aufräumen: Process Mining ist nichts, mit dem man sich mal kurz für fünf Minuten befasst. Es ist keine elektronische Variante von Prozessmanagement, die angestaubte Prozesse nur „fancy“ aussehen lässt oder ein neues Dashboard. Hinter Process Mining steckt viel mehr: Es geht um eine moderne und längst überfällige Art, über Fragestellungen mit Hilfe klarer Fakten und Zahlen aus Kundensicht zu sprechen. Genau das brauchen wir jetzt in unserer Transformation.

Natürlich gab es zunächst Skeptiker, die meinten, dass Process Mining ein Nice-to-have für die Zeit nach der Krise sei. Sobald klar war, dass Live-Informationen zur faktenbasierten Prozessverbesserung genutzt werden, änderte sich die Diskussion schnell.

Mein Tipp deshalb: Wer Process Mining einführt, sollte nicht lange die Technologie erklären, sondern konkret anhand eines Prozesses zeigen, wie es funktioniert – klassische Beispiele sind Einkaufsprozesse. Bei uns beispielsweise verbessern wir mit Process Mining unter anderem täglich den Prozess des Einsatzes von Standby-Crews.

 

Was meinen Sie genau mit der überfälligen Art, mit Hilfe von Fakten zu diskutieren?

Ausgangspunkt ist immer ein Schmerz, den es zu lindern gilt. Konkretes Beispiel: Unsere Kunden wünschen sich maximale Flexibilität entlang der gesamten Reisekette. Das bedeutet, dass wir auch unsere Prozesse in kürzester Zeit adaptieren müssen. In der Vergangenheit hat man bei der Entwicklung entsprechender Lösungen stark auf Workshops mit Fachexperten gesetzt. Diese Spezialisten haben subjektive Prozessstichproben genommen, um einen Ist-Zustand zu definieren. Dabei geraten die Fakten oftmals in den Hintergrund, werden geringer gewichtet als das Bauchgefühl.

Mit Hilfe von Process Mining können wir die existierenden Daten so visualisieren, dass wir faktenbasiert über Prozessschwächen diskutieren. Wir trennen Bauchgefühl und Emotionen von rationalen Fakten und belegbaren Zahlen, um gezielt Entscheidungen treffen zu können. Das gelingt nicht in einem Workshop, sondern hochzyklisch mit Process Mining. Als eine Art „Raumschiff Enterprise für Manager“ ermöglicht es einen live Blick ins Unternehmens-Universum und zeigt Schwachstellen auf. Mehr denn je kommt es derzeit darauf an, unsere Prozesse so auszulegen, dass der Kunde einen echten Mehrwert für sich erkennt. Das ist nicht neu, doch post-Corona wird der Kundenfokus zum entscheidenden und wichtigsten Faktor.

Wir nennen Process Mining deshalb auch unser Optimierungs-Navigationssystem, mit dem wir auf Basis von Fakten herausfinden, wo es im Prozess hakt, wo wir nicht flexibel genug für den Kunden sind und das quasi in Echtzeit. Das löst natürlich auch eine Revolution in den Gewohnheiten einer Organisation aus.

Optimierte Planung – langfristig aber auch im Tagesgeschäft

Können Sie ein konkretes Anwendungsbeispiel nennen?

Gerne: Wie jede Airline haben wir Crews, die im Standby-Modus geplant sind und auf Abruf bereitstehen, sollte eine aktive Crew unvorhergesehen ausfallen. Um herauszufinden, aus welchen Gründen diese Crews hauptsächlich aktiviert werden, nutzen wir Process Mining. So können wir unsere Standby-Planung optimieren und zum Beispiel verhindern, dass für einen Flug keine Crew mehr verfügbar ist und der Flug folglich ausfallen muss. Basierend auf Echtzeitdaten können wir langfristig planen, aber auch kurzfristig im Tagesgeschäft über eine kurzfristige Anpassung des Plans entscheiden und konkrete Verbesserungspotenziale identifizieren.

Problemlösung nach Lean Management – bewährt und effizient

Wie geht es weiter? Wie nutzen Sie die gewonnenen Erkenntnisse?

Haben wir ein konkretes Verbesserungspotenzial identifiziert, setzen wir auf die bewährten Methodiken des Lean Managements. Wir bleiben beim etablierten Problemlösungskreislauf Plan, Do, Check, Sustain. Dabei erweitern wir, wenn nötig, den Abschnitt ‚Plan‘ um eine datenbasierte Live-Analyse. Die geschieht im Sinne der Ursachenforschung vor allem dann, wenn Komplexität einer der Haupttreiber des Problems ist.

Anknüpfend daran wird im Abschnitt Check & Sustain nochmals Process Mining genutzt, um hier weitere Livedaten zu beziehen. Diese neuen Ist-Werte können wir nun ins Verhältnis setzen, um den Verlauf fortlaufend zu tracken und abzusichern. Wir können sogar noch einen Schritt weiter gehen: Automatisierte Bot-Agenten reagieren in Echtzeit auf Prozess-Abweichungen und senden dem jeweiligen Process Owner eine Benachrichtigung inklusive ersten Lösungsvorschlag. Process Mining steht also am Beginn und am Ende des Problemlösungskreislaufes und bildet so den digitalen Rahmen um das bewährte PDCS-Modell.

 

Welche Herausforderungen kommen durch Process Mining auf Manager*innen in ihrer täglichen Arbeit zu und welche Vorteile ergeben sich Ihrer Meinung nach daraus?

Der größte Vorteil ist, dass Diskussionen mittels Process Mining durchweg faktenbasiert geführt werden. So wird eine Diskussionskultur geschaffen, die ein effizienteres Arbeiten möglich macht. Veränderungen, die durch Optimierungen initiiert wurden, können wir außerdem mit Fakten belegen. Eine der Kernfragen war immer, wie schnell sich eine Optimierungsinitiative amortisiert und wie sich der Business Case rechnet. Den Check der Master-KPIs übernimmt das System, was den Prozess im Problemlösungskreislauf beschleunigt.

Eine der Herausforderungen ist, nicht davon auszugehen, dass Process Mining die Probleme selbst löst. Wurden durch Process Mining Handlungsfelder aufgedeckt, geht die Arbeit erst richtig los. Außerdem bedeutet dieses faktenbasierte Arbeiten, dass man dem Optimierungsteam vollstes Vertrauen entgegenbringen muss. Denn es können Missstände offengelegt werden, die zuvor nicht sichtbar waren. Auch das kann zunächst zu Widerständen führen.

Experten-Tipp zum Process Mining – sofort anwendbar

Herr Schönheim, welchen Tipp haben Sie für jemandem, der Process Mining implementieren möchte? Und welchen Fehler sollte man unter keinen Umständen begehen?

Um es mit den Worten von Thorsten Dirks zu sagen: „Wenn Sie einen Sch***prozess digitalisieren, dann haben Sie einen sch*** digitalen Prozess“. Wir dürfen Process Mining nicht nur dafür nutzen, einen schlechten Prozess besser zu beschreiben. Das, was an Verbesserungspotenzial identifiziert wird, müssen wir im nächsten Schritt mit Hilfe von Lean Methodiken auch optimieren. Auch sollte man nicht sämtliche Ressourcen in den deskriptiven Teil eines Missstandes stecken – sonst geht einem anschließend die Luft aus, das Problem auch wirklich zu heben.

Meine Empfehlung ist, Process Mining in einer strategischen Business Excellence Abteilung zu verorten, damit haben wir sehr gute Erfahrungen gemacht. Wir setzen dabei auf die Technologie des Marktführers Celonis. Wichtig ist, die Kollegen aus der IT-Abteilung von Beginn an einzubinden, denn sie müssen den Zugriff auf die Daten bereitstellen. Gleiches gilt für den Betriebsrat und nicht zuletzt das Management. Denn ändert sich die Diskussionskultur, ändert sich auch das Führen von Teams.

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