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Die Ressource Mensch ist ein wertvoller und teurer Produktionsfaktor, mit dem wertschätzend umgegangen werden sollte. Eine gute Mitarbeiterführung in den Unternehmen ist dabei ebenso wichtig wie menschengerechte Arbeitsbedingungen. Um die Arbeits- und Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter zu erhalten und Fehlzeiten zu minimieren, denken viele Unternehmen auch über einen Leistungsanreiz in Form einer sogenannten Anwesenheitsprämie oder Gesundheitsprämie nach. Mitarbeiter, Betriebsräte und Gewerkschaften stehen Anwesenheitsprämien naturgemäß sehr kritisch gegenüber, weiß Eckhard Eyer, Inhaber der Perspektive Eyer Consulting, und verrät in diesem Beitrag, wann solche Anreize sinnvoll sein können.
Der Fachkräftemangel und die steigenden Krankenstatistiken führen in vielen Unternehmen dazu, über eine – wie auch immer etikettierte – Anwesenheitsprämie nachzudenken. Da Mitarbeiter, Betriebsräte und Gewerkschaften dem Thema Anwesenheitsprämie sehr kritisch gegenüberstehen sind Konflikte bei dem sehr stark polarisierenden und emotionalen Thema vorprogrammiert. Wenn Unternehmen sich dem Thema überdurchschnittlich hoher Krankenstand widmen, sollte das zum einen mit sehr viel Fingerspitzengefühl geschehen und zum anderen in einem Kamingespräch ein gemeinsames Problemverständnis zwischen Management und Betriebsrat formuliert werden. Die Erfahrung zeigt, dass es ohne ein gemeinsames Problemverständnis – man spricht heute gerne von Herausforderungen – keine gemeinsame nachhaltige Lösung gibt.
Das Lohnfortzahlungsgesetz gibt im § 4a LFZG vor, dass der Arbeitgeber, der seinen Mitarbeitern zusätzlich zum vereinbarten Arbeitsentgelt eine Sondervergütung zahlt, diese für jeden Krankheitstag des Mitarbeiters um bis zu 25% seines Tagesverdienstes reduzieren kann, bis die Sondervergütung aufgezehrt ist. Würde diese Regelung zum Beispiel mit einem zusätzlichen Arbeitsentgelt von 50% eines Monatsgehaltes umgesetzt, dann wäre das legal, aber ggf. noch lange nicht zielführend, weil sie nicht passgenau auf die betriebliche Situation zugeschnitten ist.
In diesem sensiblen Kontext hat es sich – wie in vielen anderen Vergütungsprojekten – bewährt, dass nach einem Kamingespräch, in dem eine gemeinsame Sicht auf den Krankenstand und seine Senkung festgestellt wurde, die Anwesenheitsprämie in drei Schritten erarbeitet wird:
Gemeinsam erarbeiten
Gerecht gestalten
Fair umsetzen
Es reicht bei dem sensiblen Thema nicht aus, dass – wie schon erlebt – der Geschäftsführende Gesellschafter eines Unternehmens vom Betriebsrat fordert, den Krankenstand im 4-Schichtbetrieb von Frauen und Männern mittels einer Anwesenheitsprämie auf 6% zu senken. Im vorliegenden Fall fragte der Betriebsrat den Unternehmer, ob er nicht wisse, dass der Krankenstand seit Jahren bei ca. 4,8% liegt und eine Anwesenheitsprämie wenig Wirkung entfalten könnte. Im Gegenteil, die Loyalität der Mitarbeiter und ihre Identifikation mit dem Unternehmen würde untergraben.
An den nachfolgenden Beispielen werden drei passgenaue betriebliche Anwesenheitsprämien beschrieben.
Im Jahr 1996 regelte das Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG), dass Mitarbeiter statt bisher 100% nur noch 80% ihrer Vergütung als Lohnfortzahlung im Krankheitsfall erhalten oder alternativ, wenn sie eine Woche krank sind, einen Tag Urlaub nehmen müssen. Der Krankenstand ging bundesweit zurück. Zum 01.01.1999 wurde diese Regelung wieder aufgehoben.
Der Geschäftsführende Gesellschafter eines Unternehmens, das an drei Standorten Fahrzeugaufleger oder -hänger mit zusammen ca. 6.500 Mitarbeitern herstellt, wollte nach der Abschaffung dieser Regelung seinen Mitarbeitern wieder einen Anreiz geben, weniger krank zu sein. In harten Auseinandersetzungen mit den drei Betriebsräten, die sich nicht immer einig waren, wurde die freiwillige übertarifliche jährliche Gewinnbeteiligung ab 1999 in Abhängigkeit der Krankheitstage ausgezahlt. Ausgehend von der durchschnittlichen Ist-Jahresarbeitszeit wurde die durchschnittliche Gewinnbeteiligung errechnet. Den Mitarbeitern wurde dann entsprechend ihres Beitrags zum Unternehmenserfolg – gemessen in Anwesenheitstagen – ihre Gewinnbeteiligung ausgezahlt. Dabei wurden die Durchschnitte für Mitarbeitergruppen gewerblicher Arbeitnehmer und Angestellte, deren Krankheitsrisiko bei der Arbeit unterschiedlich hoch ist, unterschieden. Der Krankenstand ging um ca. 1,5% zurück.
Der Geschäftsführende Gesellschafter eines ambulanten Krankenpflegdienstes mit ca. 120 Mitarbeitern an drei Standorten ärgerte sich über die Mitarbeiter, die im Umfeld des Wochenendes 1-2 Tage krank wurden und so ihre Wochenenden verlängerten.
Im Kontext der Überarbeitung seines betrieblichen Vergütungssytems wurde mit dem Betriebsrat eine Anwesenheitsprämie erarbeitet. Die Mitarbeiter konnten im Halbjahr zusätzlich 200 € verdienen, wenn sie nicht krank wurden. Pro Krankheitstag wurden dem Mitarbeiter 20 € abgezogen, das heißt, bei 10 Krankheitstagen war die Anwesenheitsprämie bei „null“. Langzeitkranken wurden somit maximal 200 € im Halbjahr abgezogen.
Die Anwesenheitsprämie wurde von den Mitarbeitern nicht nur akzeptiert, sondern begrüßt, weil auch sie sahen, dass einige Mitarbeiter gezielt „krankfeierten“. Der Krankenstand sank in den Jahren nach der Einführung im Jahr 2004 um ca. 2%. Aufgrund dieses Erfolgs gab der Unternehmer ab dem Jahr 2007 jedem Mitarbeiter, der im Kalenderjahr nicht krank war, zusätzlich 3 Tage bezahlten Sonderurlaub.
Das mittelständische Unternehmen arbeitet seit den 1970er Jahren mit einem hohen Anteil von Mitarbeitern mit Migrationshintergrund in der drei- und zum Teil vierschichtigen Produktion. Die Erfahrung zeigte, dass die Mitarbeiter gerne ihren Jahresurlaub nutzten, um in die Heimat zu fahren und dort Urlaub zu machen. Nicht selten kam es am Urlaubsort zu mehrwöchigen Krankschreibungen, die den Urlaub verlängerten. Im Unternehmen fehlten die Mitarbeiter.
Die Geschäftsführenden Gesellschafter erarbeiteten eine Anwesenheitsprämie, die zum Inhalt hatte, dass jeder Mitarbeiter im Jahr 5 Tage krank sein konnte, ohne dass er einen Abzug von der zusätzlichen Anwesenheitsprämie bekam. Ab dem 6. Krankheitstag wurde je Krankheitstag die Anwesenheitsprämie um 20% des Tagesverdienstes reduziert. Wurde ein Mitarbeiter ein ganzes Jahr nicht krank, konnte er seine „nicht genommenen 5 Krankheitstage“ mit ins nächste Jahr nehmen. Wäre er dann im Folgejahr krank geworden, hätte er die ersten 10 Tage keine Reduktion der Anwesenheitsprämie gehabt.
Diese bewährte Regelung wurde auch in den Haustarifvertrag, der im Jahr 2015 mit der IG Metall abgeschlossen wurde, übernommen.
Ziel der beschriebenen Anwesenheitsprämien war es immer, eine passgenaue Lösung für die betriebliche Situation – unter Beteiligung der Betroffenen – zu erarbeiten. Die Anwesenheitsprämie musste im betrieblichen Kontext als gerecht erlebt werden. Dabei war es wichtig, einen Anreiz für die Mitarbeiter zu schaffen und sie nicht zu bestrafen. Die Anwesenheitsprämie muss von der Unternehmenskultur getragen werden.
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