Ausarbeiten von Patentanmeldungen - KI oder Patentanwalt?

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10. März 2025
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Seit dem Siegeszug von ChatGPT befürchten immer mehr schreibende Berufsgruppen, ihre Existenzberechtigung zu verlieren. Auch der eine oder andere Patentanwaltskollege befürchtet hier eine ernstzunehmende Konkurrenz aus dem Bereich der smarten Algorithmen. IP-Managerinnen aus der Industrie hingegen erhoffen sich, mittels KI die zum Teil recht hohen Kosten für eine ausgebildete Patentanwältin zu sparen, wodurch die Lebensgrundlage vieler Kollegen wegfallen würde.

Wir sehen in unserer Kanzlei der aktuellen Entwicklung zwar interessiert, jedoch relativ entspannt entgegen. Zum einen sehen wir mehrere grundlegende Probleme beim Erstellen von Patentanmeldung mittels KI, die sich unseres Erachtens zumindest in naher Zukunft nicht lösen lassen werden. Zum anderen haben wir selbst mehrere KIs getestet, deren Vertreiber behaupten, sie können Patentanmeldungen schreiben, ganz oder teilweise, wobei unsere Bedenken letztendlich bestätigt wurden. Darüber hinaus fließen in diesen Blog-Beitrag Informationen von befreundeten Kolleginnen ein, die selbst mehrere KIs in diesem Bereich getestet haben und zu gleichen oder zumindest ähnlichen Erkenntnissen gekommen sind. In diesem Beitrag soll es jedoch nicht um einzelne dieser spezialisierten KIs gehen, weswegen diese auch nicht namentlich genannt werden, sondern darum, ein allgemein gültiges Bild der Beschränkungen und Möglichkeiten in diesem Bereich aufzuzeigen.

Jan König

Patentanwalt | Sykora & König Patentanwälte PartG mbB

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Wie KI-gestützte Patentanmeldungen funktionieren – und wo die Risiken liegen

Bevor auf die Probleme der existierenden Patent-KIs eingegangen wird, wird kurz auf einem relativ hohen Level die grundlegende Funktionsweise dieser KIs erläutert und auf deren Training eingegangen, was wichtig ist, um die daraus resultierenden Probleme zu verstehen:

Alle bezüglich Text generativen KIs weisen im Kern ein sogenanntes Large-Language-Model (LLM) auf. ChatGPT ist nur der berühmteste Vertreter von LLMs. Tatsächlich gibt es viele derartige Modelle, bspw. auch von Google und Microsoft. Diese LLMs benötigen für Ihre volle Funktionsfähigkeit einen Zugriff auf das Internet, wobei die Eingaben, aus denen die Texte generiert werden, zuvor hochgeladen werden müssen. Das wirft berechtigte Bedenken bezüglich des Datenschutzes auf, was bei Patentanmeldungen besonders kritisch ist. Abhilfe davon schaffen abgespeckte LLMs, die ausschließlich lokal arbeiten, jedoch merkbar schlechtere Ergebnisse liefern.

Damit die LLMs leisten können, was sie leisten, werden sie anhand einer immens großen Anzahl von Texten trainiert. Diese Texte stammen zu einem überwiegenden Teil aus:

Internetquellen

Presseveröffentlichungen

Büchern, darunter Romane und Fachliteratur

Wissenschaftlichen Papers

Patentanmeldungen, jedoch wahrscheinlich nur in sehr geringem Umfang

Am Ende des Trainings ist das LLM in der Lage, ausgehend von einer Anfrage eines Nutzers zu schätzen, welche Antwort am wahrscheinlichsten ist, und das beispielsweise Wort für Wort. Das Ganze können die Marktführer so gut, dass die Ergebnisse manchmal nicht von Texten unterschieden werden können, die von Menschen geschrieben wurden.

Möchte man nun ein bestimmtes Ergebnis von einem LLM, so muss man eine entsprechende Anfrage formulieren, die häufig „Prompt“ genannt wird. Diese Prompts können im einfachsten Fall Fließtexte sein und können bis hin zu komplexen Algorithmus-artigen Gebilden ausarten. Genau hier liegt ein Teil der Kunst. Je besser die Prompts geschrieben sind, desto besser die Ergebnisse der LLMs. Programmierkenntnisse sind hier klar von Vorteil.

Spezialisierte KIs, wie zum Beispiel die zum Erstellen von Patentanmeldungen, enthalten diese LLMs oder greifen auf diese zu und erschöpfen sich in der Regel in vorprogrammierten Prompts, die je nach Software offen sichtbar sind oder hinter schönen Buttons und Formularen versteckt sind. Es werden somit keine speziell für Patentanmeldungen trainierte LLMs oder gar KIs verwendet, sondern lediglich vordefinierte Prompts für allgemeine LLMs bereitgestellt, zumindest bei den derzeit auf dem Markt verfügbaren Produkten.

Warum KI an den Anforderungen von Patentanmeldungen scheitert

Dies führt uns direkt zu den grundlegenden Problemen. Wie bereits oben erwähnt, werden die LLMs nur zu einem kleinen Teil mittels Patentanmeldungen trainiert. Der Rest stammt aus Gebieten, die zu einem großen Teil nichts mit Patentrecht oder Technik zu tun haben. Dazu kommt, dass ein großer Teil der Patentanmeldungen nicht von erfahrenen Patentanwälten, sondern von Patentanwaltskandidaten oder Patent-Draftern ausgearbeitet wird. Erstes ist in Großkanzleien die Regel, in denen die erfahrenen Partner die Arbeit nach unten delegieren und die häufig für die großen Konzerne tätig sind, die weltweit mit Abstand die meisten Patentanmeldungen einreichen. Letzteres kommt hauptsächlich in asiatischen Ländern vor, in denen Patent-Draftern, die häufig weder technisches noch juristisches Fachwissen aufweisen, lediglich beigebracht wird, wie eine Patentanmeldung auszusehen hat. Das heißt, dass die LLMs nur zu einem sehr geringen Teil mit Hilfe von hochwertigen Patentanmeldungen trainiert werden und daher gar nicht „wissen“ können, wie eine gute Patentanmeldung auszusehen hat und was sie zu enthalten hat.

Diese Probleme könnten evtl. kurz- bis mittelfristig gelöst werden, indem mit Hilfe von erfahrenen Patentanwältinnen eine ausreichend große Datenbank an hochwertigen Patentanmeldungen aufgebaut wird, mittels der dann ein spezielle LLM für Patentanmeldungen trainiert wird. Die Kosten dafür könnten jedoch ziemlich hoch werden.

KI und der Unterschied zwischen Wiederholung und echter Innovation

Es bleiben aber weitere, u.E. mittelfristig nicht lösbare Probleme. Und zwar erschöpft sich das Ergebnis eines LLMs in der Ausgabe eines Textes, der am wahrscheinlichsten zu einer Anfrage passt, basierend auf einer Menge an bereits existierenden Texten. Dies kann zu sehr guten Ergebnissen führen, wenn die Anfrage schon häufig in den Trainingstexten beantwortet wurde. So kann zum Beispiel eine mittels ChatGPT erstellte Gedichtsanalyse des Erlkönigs ein sehr hohes Niveau haben, weil die zugrunde liegende Datenbasis bereits eine hohe Anzahl entsprechender Analysen umfasst. Bei einer Patentanmeldung geht es jedoch gerade darum, etwas zu beanspruchen und zu beschreiben, was neu ist und was sich im Idealfall sogar von reiner Neuheit abhebt und einen erfinderischen Schritt aufweist. Dies ist genau das Gegenteil von einem Wiederkäuen bereits bekannter Informationen.

Hier könnte man einwenden, dass generative KIs heutzutage auch neue Bilder und neue Musik, ja sogar neue Videos erzeugen können, weswegen auch das Beschreiben neuer Gegenstände möglich sein müsste. Man muss hier jedoch klar zwischen zufälliger Neuheit und gezielter Neuheit unterscheiden. So kann z.B. eine KI durchaus neue (zufällige) impressionistische Bilder malen, bei diesen Bildern ist es aber egal, ob ein blauer Pinselstrich in der oberen rechten Ecke oder ein grüner in der Mitte des Bildes ist, solange der Gesamteindruck impressionistisch ist. Bei einer Patentanmeldung muss das Neue jedoch gezielt in einem oder mehreren Ansprüchen juristisch und technisch korrekt erfasst werden und eben nicht zufällig oder auf Wahrscheinlichkeiten beruhend.

Dazu kommt, dass auch der Input, die Ausgangsgröße, richtig erfasst werden muss.

Erfindungsmeldungen als Basis: Bei einer Patentanmeldung ist dies in der Regel eine von dem entsprechenden Erfinder verfasste Erfindungsmeldung.

Erfinder formulieren oft unpräzise: Viele Erfinderinnen mit großem technischem Wissen sind wortkarg, wenn es darum geht, ihre Erkenntnisse zu Papier zu bringen.

Der Patentanwalt als Übersetzer: Häufig fehlt es an sprachlicher Präzision, sodass erst der Patentanwalt die Erfindung aus der Erfindungsmeldung extrahieren und so formulieren muss, dass sie für eine Patentanmeldung geeignet ist.

Hier wäre ein möglicher Einwand, dass die Erfinder ein LLM zum Erstellen der Erfindungsmeldung verwenden könnten. Tatsächlich liegen uns mehr und mehr Erfindungsmeldungen vor, bei denen sich der Verdacht aufdrängt, dass sie zumindest teilweise mittels KI erstellt wurden. Das zeigt sich beispielsweise, wenn in der Erfindungsmeldung Dinge stehen, an die sich keiner der Erfinder erinnern kann oder die im Detail technisch nicht ganz korrekt sind. Genau hier liegt wieder das Problem. Die KI erstellt die Erfindungsmeldung dann basierend auf dem, was am wahrscheinlichsten ist, und nicht auf dem, was technisch am besten die Erfindung wiedergibt.

Abschließend bleibt noch ein Problem, das unseres Erachtens auch langfristig nicht von einer KI, insbesondere mittels LLM, lösbar ist. Erfinder stellen ihre Erfindung im Normallfall in Form konkreter Ausführungsbeispiele und Anwendungen dar. Ein LLM kann nun einen schön klingenden Text erzeugen, der die konkrete Erfindung beschreibt, und evtl. könnte eine entsprechend trainierte KI gemäß einer Klassifikation auch erkennen, zu welchem technischen Gebiet die Erfindung gehört. Eine Kernkompetenz des Patentanwalts, die ihm im Idealfall während der Ausbildungszeit beigebracht wird und die unter anderem gezielte Kreativität erfordert, besteht jedoch darin, konkrete Ausführungsformen der Erfindungen derart zu abstrahieren, dass der Kern der Erfindung unabhängig von der konkreten Anwendung zum Vorschein kommt, wobei in vielen Fällen mehrere Zwischenabstraktionsstufen eingebaut werden können, um einerseits einen optimalen Schutzbereich zu bekommen und andererseits genügend Rückzugsmöglichkeiten für das Erteilungsverfahren offen zu halten. Derartige Abstraktionsleistungen können heutige KIs und LLMs nicht leisten.

Ein Ausblick: Wo KI tatsächlich nützlich sein kann

Das klingt nun alles so, als ob KIs und LLMs im Patentbereich nicht einsetzbar wären. Das wäre aber zu weit gegriffen. Denn auch bei der Arbeit eines Patentanwalts können KIs und LLMs durchaus sinnvoll eingesetzt werden.

Mögliche Einsatzbereiche von KI im Patentrecht:

Recherche zum Stand der Technik: KIs können Dokumente systematisch analysieren und relevante Merkmale identifizieren.

Unterstützung bei der Patentrecherche: Die Analyse existierender Patente kann durch KI beschleunigt werden, wobei die Ergebnisse von einer erfahrenen Patentanwältin sorgfältig überprüft werden müssen.

Erstellung allgemeiner Einleitungen für Patentanmeldungen: ChatGPT könnte dazu genutzt werden, erste Entwürfe zu generieren, die anschließend vom Patentanwalt überprüft und gegebenfalls optimiert werden.

Des Weiteren könnte ich mir vorstellen, dass eine KI oder ein LLM, die man anhand selbst erstellter Patentanmeldungen trainiert hat, ausgehend von einem Satz erweiterter Patentansprüche und einer Bezugszeichenliste Teile der Beschreibung einer Patentanmeldung auf hohem Niveau ausarbeiten kann, wobei mit dem „Satz erweiterter Patentansprüche“ ein Satz Patentansprüche gemeint ist, der zusätzlich Informationen zu den Vorteilen der beanspruchten Merkmale, Begriffsdefinition und Begriffsalternativen umfasst. Ich selbst habe bereits ein Makro geschrieben, das einen Teil dieser Arbeit leisten kann. Dieses Makro funktioniert gut und spart bei jeder Patentanmeldung etwas Zeit, findet seine Grenzen jedoch in der Komplexität der Sprache, insbesondere der deutschen Sprache. Dieses Problem hätte eine KI mit LLM wohl eher nicht, zumindest in geringerem Maß. Ein derartiges Produkt ist uns jedoch nicht bekannt und selbst wenn es ein solches geben sollte, müsste die Patentanmeldung von einem Patentanwalt sorgfältig überarbeitet und ergänzt werden, beispielsweise mittels gezielter alternativer Formulierungen im Sinne von „… in anderen Worten …“, bspw. um einen Raum für Klarstellungen während des Erteilungsverfahrens zu schaffen.

Fazit: KI als Helfer – aber kein Ersatz für den Patentanwalt

Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass eine KI oder ein LLM weder heute noch in naher bis mittlerer Zukunft einen Patentanwalt ersetzen kann. Sie können jedoch durchaus nützliche Werkzeuge in der Toolbox des Patentanwalts sein oder werden, die die patentrechtliche Arbeit erleichtern und effizienter machen können.

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