Der Richtlinienkoordinator – die besondere Schnittstelle im Unternehmen

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31. Oktober 2022
Organisation
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Was ist eigentlich ein Richtlinienkoordinator? Was macht diese Person? Und sollte Ihr Unternehmen vielleicht auch eine solche Position besetzen? Richtlinienkoordinator Boris Fey teilt in diesem Beitrag seine praktischen Erfahrungen aus 10 Jahren Richtlinienmanagement in einem Internationalen Nutzfahrzeugkonzern. Erfahren Sie, welche Rollen ein Richtlinienkoordinator übernimmt und welche Skills Sie benötigen, um die Position erfolgreich auszuüben.

Experte Boris Fey

Boris Fey

Richtlinienkoordinator | TRATON SE

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1. Richtlinienkoordinator: Schon mal davon gehört?

Die Funktion „Richtlinienkoordinator“ ist derart selten und unbekannt, dass sicher kaum ein Kind dies als Berufswunsch oder Traumberuf nennen würde, obwohl das Richtlinienmanagement viele spannende Facetten hat.

„Richtlinienkoordinator“ (m/w/d) ist keine klar definierte bzw. etablierte Bezeichnung einer Funktion, wie zum Beispiel „Bilanzbuchhalter“ oder „Key Account Manager“. Man findet verschiedenste Kombinationen von Synonymen in verschiedenen Sprachen, etwa „Policy Coordinator“ oder „Richtlinienmanager“.

Auf den Websites der Jobbörsen gibt es äußerst selten Angebote mit diesem Jobtitel. Diese werden fast nur von Konzernen, Großunternehmen und vielleicht noch großen Mittelstandsunternehmen angeboten. Zum Exotenstatus trägt bei, dass sich nur selten Unternehmen ganze Teams von Richtlinienkoordinatoren leisten. Selbst in Großunternehmen sind sehr häufig nur ein bis zwei Personen in dieser Funktion. In kleineren Unternehmen werden die Aufgaben eher von einer Person mit einer anderen Hauptfunktion bzw. Stellenbezeichnung zusätzlich übernommen, ohne dies explizit kenntlich zu machen.

2. Wo findet man Richtlinienkoordinatoren im Unternehmen?

Die Funktion des Richtlinienkoordinators ist in unterschiedlichen Fachbereichen zu finden: Rechtswesen, Organisation, Compliance, Risikomanagement, Personalwesen, Qualitätsmanagement, Prozessmanagement – also Fachbereiche, die sich üblicherweise mit unternehmensweiten Verhaltensvorgaben und Strukturen beschäftigen.

Meist ist der Richtlinienkoordinator auf der hierarchischen Ebene eines Sachbearbeiters, Experten, Referenten, Teamleiters oder einer Führungskraft im unteren bis mittleren Managements angesiedelt. Richtlinienkoordinatoren sind kaum im oberen oder obersten Management zu finden, da das Thema im Vergleich zu Vertrieb, Rechtswesen, IT oder Accounting deutlich weniger Ressourcen bindet und keine äquivalenten Strukturen (Führungsspanne oder Gliederungstiefe) erfordert.

Die Wahrnehmbarkeit dieser Funktion bzw. Stelle wird oft unterschätzt, denn der Richtlinienkoordinator kann sich meist „konkurrenzlos“ unternehmensweit präsentieren.

3. Was macht ein Richtlinienkoordinator?

Zu den Hauptaufgaben gehören die Sicherstellung der Behandlung von Richtlinien im Einklang mit der Mutterrichtlinie sowie die Veröffentlichung und Verteilung der Richtlinien über die eingesetzten Kanäle und IT-Lösungen. Nicht selten ist der Richtlinienkoordinator für die Bereitstellung und den Betrieb einer dezidierten IT-Lösung oder zumindest die Datenpflege in eingesetzten Lösungen (Intranet etc.) zuständig.

Im Tagesgeschäft übernimmt der Richtlinienkoordinator vielfältige Rollen, zum Beispiel:

Berater: Der Richtlinienkoordinator begleitet den Richtlinienersteller im Fachbereich „von A-Z“ bereits ab der Idee über die Freigabe und bei allen späteren Änderungen. Durch die Routine und die Vorgaben der Mutterrichtlinie sorgt der Richtlinienkoordinator für schnellere Fertigstellung.

Qualitätssicherer: Richtlinien regeln bedeutsame Themen und werden zumeist von hochrangigen Personen oder Gremien formal in Kraft gesetzt. Hier besteht ein hoher Qualitätsanspruch in Verbindung mit Standards, um gleichrangige Regelwerke auf gleiches Niveau zu bringen.

Vermittler: Nicht selten sind sich Personen oder Fachbereiche uneinig, wer wann und wie welche Richtlinie schreiben soll oder muss. Der Richtlinienkoordinator unterstützt die Entscheidungsfindung oder vermittelt weitere Kontakte.

Ansprechpartner: Durch die Besonderheit der Funktion und Position wird der Richtlinienkoordinator als zentraler, zugänglicher Kompetenzträger im Richtlinienwesen von der Belegschaft wahrgenommen und bei Fragen und Anliegen bevorzugt kontaktiert. Der Richtlinienkoordinator wirkt dann wie ein 1st Level Support, der entweder sofort helfen oder weitervermitteln kann.

Beobachter und Informationsquelle: Der Richtlinienkoordinator – oft ein „Einzelkämpfer“ – kennt in der Regel alle Themen und Fachbereiche im Kontext der Richtlinien. So entsteht Wissen über Verzögerungen, Regelungslücken und den Gesamtbestand. Richtlinienkoordinatoren sind damit wertvolle Informationsquellen für das Leitungsorgan, die Innenrevision, die Koordinatoren der Internen Kontrollsysteme und andere Stakeholder. 

Schnittstelle: Der Richtlinienkoordinator kommuniziert und agiert unternehmensweist sowohl vertikal als auch horizontal.

Richtlinienkoordinatoren schreiben selbst wenige bis keine Richtlinien. Die Ausnahme bildet oft die sogenannte „Mutterrichtlinie“ eines Unternehmens, welche den Lebenszyklus einer Richtlinie (Idee bis Archiv) abbildet und Formvorschriften sowie Abläufe definiert.

Abstrahiert, doch nicht weniger wichtig, unterstützt der Richtlinienkoordinator das Leitungsorgan und die Führungskräfte dabei, die Governance auszuüben und Haftungsrisiken, etwa Organisationsverschulden, gering zu halten.

4. Was qualifiziert einen Richtlinienkoordinator?

Da es weder standardisierte Kriterien für die Funktion des Richtlinienkoordinators noch Ausbildungsprogramme gibt, sind alle Richtlinienkoordinatoren „Quereinsteiger“.

Praxisnahe Fortbildungsangebote zum Richtlinienmanagement, etwa wie das Seminar „Richtlinien im Unternehmen managen“ von Management Circle, sind rar.

Eine juristische Ausbildung ist keine zwingende Voraussetzung, aber zweifellos sehr hilfreich. Viele Studiengänge sorgen für unterschiedliche fachliche Kompetenzen, die jede auf ihre Art wertvoll sind, zum Beispiel Betriebswirtschaftslehre, Psychologie, Kommunikationswissenschaften etc. Selbstverständlich sind Personen ohne Studiengang, dafür mit einer beruflichen Ausbildung, aus gleichen Gründen geeignet. Oft sind diese bereits langjährig im Unternehmen und damit bestens vernetzt.

Weitaus mehr machen die persönlichen Aspekte den Unterschied über Arbeitsresultate, Wohlgefühl und Akzeptanz in der Organisation. Exemplarisch hervorgehoben seien daher:

Kommunikationsfähigkeit: Es ist erforderlich in Wort und Schrift, oft in mehreren Sprachen, auf allen Ebenen verständlich und auf Augenhöhe zu kommunizieren.

Kompromissfähigkeit: Obwohl der Richtlinienkoordinator Vorschriften und Standards konsequent vertreten muss, sind die allseitigen Interessen stets angemessen zu berücksichtigen.

Organisationsfähigkeit: Dazu gehören Terminüberwachung, Teilnahme an vielen Besprechungen, Priorisierung, Improvisationstalent etc. – angesichts der häufigen „Einzelkämpfer“-Situation sozusagen der Inbegriff des „Postkorb“-Tests in Bewerbungsverfahren.

Strukturiertes Arbeiten: Fachbereiche benötigen oft klare Guidance bzgl. Vorgehensweise und Dokumentengestaltung, ohne dass der Richtlinienkoordinator deswegen diese Herausforderungen selbst übernimmt.

Service Mentalität: Der Richtlinienkoordinator sieht die Beschäftigten und Kontakte als geschätzte Kunden an und reagiert möglichst schnell, kompetent und freundlich auf Anfragen.

Qualitätsanspruch: Ohne bürokratisch oder pedantisch zu wirken, erwartet der Richtlinienkoordinator von den Prozessbeteiligten und sich selbst Qualität, zum Beispiel zur Sicherstellung der Nachweisfähigkeit bei Revisionsprüfungen.

IT-Affinität: Der Richtlinienkoordinator muss sich in der „Office“-Welt wohlfühlen. Tabellen, Listen, Präsentationen, E-Mails und Datenablagestrukturen sind Tagesgeschäft. Meist übernimmt oder unterstützt der Richtlinienkoordinator die Veröffentlichung und Verteilung sowie das Reporting über unterschiedlichste IT-Lösungen. 

Auffassungsgabe und logisches Verständnis: Mangels klassischer Ausbildungsoptionen und angesichts der vielfältigen Richtlinienthemen gehört die Denkfähigkeit zu den wichtigsten Kompetenzen. 

5. Wie wird man Richtlinienkoordinator?

Typischerweise entsteht die Funktion bzw. Stelle bei akutem Bedarf und wird intern mit jemandem besetzt, der verfügbar und qualifiziert erscheint. Rückblickend entstand die Funktion in vielen Unternehmen erst im Zuge der Aufarbeitung von Skandalen oder festgestellter Handlungsnotwendigkeiten.

6. Wo und wie tauschen sich Richtlinienkoordinatoren aus?

Leider finden Richtlinienkoordinatoren selten ihresgleichen im eigenen Unternehmen. Darum haben sich über das DICO e.V. (Deutsches Institut für Compliance) die Richtlinienkoordinatoren einiger großer und mittelgroßer Unternehmen zum Arbeitskreis „Richtlinienmanagement“ zusammengeschlossen. Neben dem praxisnahen Erfahrungsaustausch steht die Erarbeitung von Standards für Richtlinien, deren Management sowie zugehörige IT-Lösungen im Mittelpunkt. Über Leitfäden gibt dieser Arbeitskreis seine Erfahrungen an Interessierte weiter.

7. Welche Herausforderungen gilt es heute und in Zukunft zu meistern?

Der Umgang mit der knappen Ressource Zeit ist die größte Herausforderung. Regelungsbedarfe scheinen mengenmäßig kontinuierlich und mit kleinen bis mittleren Sprüngen zu wachsen. In einer medialen Welt kämpft auch das Richtlinienwesen um Aufmerksamkeit. Die rasante Digitalisierung erfordert in besonderer Weise die kontinuierliche Verbesserung.

Neben konventionellen Übermittlungsmethoden werden E-Learning und Gamification zunehmend eingesetzt. Fehlt dafür das Personal in Form von mehreren Richtlinienkoordinatoren, müssen die eingesetzten IT-Lösungen die Lücken effektiv und effizient schließen. Richtlinienmanagement wird zweifellos IT-lastiger und berücksichtigt verstärkt auch das Nutzerverhalten der jüngeren und nachrückenden Beschäftigten.

Es wird also niemals langweilig, Richtlinienkoordinator zu sein.

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