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Fällt es Ihnen schwer, in Meetings Ihre Meinung zu vertreten? Haben Sie es bisher nur selten geschafft, Ihren Chef von Ihren Ideen zu begeistern, weil Sie eher zurückhaltend sind? Auch als introvertierter Mensch können Sie Ihr Potenzial zeigen und Ihre Stärken besser nutzen! Bestsellerautorin Dr. Sylvia Löhken ist Coach für Intro- und Extrovertierte. Im exklusiven Interview hat sie uns verraten, wie auch leise Menschen Präsenz zeigen und sich gekonnt Gehör verschaffen – inklusive praktischer Video-Tipps für den Alltag.
Frau Dr. Löhken, woran liegt es, dass sich leise Menschen in Meetings eher zurückhalten?
Sehen wir einfach aufs Gehirn: Die Unterschiede zwischen Intros („nach innen Gewandten“) und Extros („nach außen Gewandten“) haben nämlich eine biologische Basis. Intros haben mehr Aktivität in den Bereichen, in denen Lernen, Denken, Vergleichen oder Problemlösen angesiedelt sind. Guckt ein Introvertierter scheinbar passiv in den Himmel, funkt es zwischen den Ohren oft auf Hochtouren. Eindrücke in Ruhe aufnehmen, nachdenken und dann reden, das ist introvertiert. Extros, also nach außen gewandte Menschen, haben mehr Andockstellen für Sinnesorgane, also mehr Kontaktstellen zur Außenwelt.
Es gibt insgesamt drei große Unterschiede zwischen Introvertierten und Extrovertierten, die sich alle auf diese biologischen Differenzen im Kopf zurückführen lassen.
Intros denken erst und reden dann. Extros sagen: „Woher soll ich wissen, was ich denke, wenn ich nicht darüber gesprochen habe?“
Leise Menschen brauchen den Rückzug. Sie sind wie Akkus, die am besten in Ruhe arbeiten. Extros sind wie Windräder. Sie brauchen den Wind der Außenwelt, um sich lebendig zu fühlen.
Intros brauchen Sicherheit und sind vorausschauend. Extros sind eher belohnungsorientiert und gehen auch eher unkalkulierbare Risiken ein.
Wenn wir diese Unterschiede sehen, dann verstehen wir auch, warum Intros in Gesprächen anders wirken als Extros.
Ist die Zurückhaltung der Intros etwas Schlechtes oder liegen darin auch Vorteile?
Ja, Intros haben viele Vorteile – sie fallen nur oft weniger auf.
Viele Intros sind konzentriert und systematisch, können ausgezeichnet komplexe Probleme behandeln und beharrlich auch bei Widerständen und Gegenwind bei der Sache bleiben.
Sie sind besonnen in ihren Entscheidungen, lassen ihren Mitarbeitern Bewegungsspielraum und können sich ausgezeichnet schriftlich ausdrücken. Und um auf Ihr Eingangsbeispiel zurückzukommen: Sie kommen vorbereitet und gut informiert in die Meetings!
Was können introvertierte Menschen von extrovertierten lernen und auch umgekehrt?
Es reicht nicht, im Meeting Bescheid zu wissen: Ich muss auch liefern können, also das Wissen nutzbar machen. Da können wir Intros von Extros lernen. Das bedeutet nicht, dass wir drauflosreden sollten. Es ist aber möglich, dass wir uns vornehmen, zu den Punkten etwas zu sagen, die uns am Herzen liegen. Darauf kann ich mich gezielt vorbereiten und womöglich sogar Vorgespräche führen, um die Lage zu sondieren. Das schafft Intro-Sicherheit, die uns hirnbedingt so wichtig ist.
Von Extros lernen wir Intros etwas, was wir selbst von Natur aus weniger haben: Impulse geben, spontan handeln, auf andere einwirken mit dem, was uns wichtig ist. Umgekehrt geben wir Intros unseren extrovertierten Zeitgenossen etwas, das in diesen nur schwach angelegt ist, zum Beispiel das Innehalten, tiefe Beziehungen, Reflexion und ein offenes Ohr, um anderen zuzuhören.
Können Sie drei einfache Tipps geben, die unseren introvertierten Lesern im Alltag dabei helfen, aus sich herauszukommen?
Finden Sie heraus, was Sie gut können und was Sie brauchen, damit es Ihnen gut geht.
Finden Sie heraus, was Sie in der jeweiligen Situation eigentlich erreichen wollen.
Finden Sie heraus, wie Sie 2. erreichen, indem Sie 1. berücksichtigen.
Was können sich leise Menschen zu Herzen nehmen, um sich auch in heiklen Situationen Gehör zu verschaffen?
Konflikte können heftig am Sicherheitsbedürfnis einer leisen Persönlichkeit rütteln. Das macht sie gerade für Intros so anstrengend. Aber auch hier gilt: Nutzen Sie Ihre eigenen Stärken, um das Problem zu klären. Wenden wir die drei Tipps hier einfach einmal an:
Intros brauchen Sicherheit und Kalkulierbarkeit.
In einem Konflikt wollen wir zum Beispiel erreichen, dass die Atmosphäre wieder stimmt. Dass wir uns auf etwas einigen.
Ich schaffe es, den Konflikt anzusprechen, wenn ich lerne, wie ich ein Konfliktgespräch führe. Das ist gar nicht so schwer. Dann übe ich es und wende die verschiedenen Etappen des Gesprächs in der Vorbereitung auf die Situation an. Und schließlich führe ich das Gespräch.
Frau Dr. Löhken, können Sie ein ganz konkretes Beispiel aus einem Meeting vorstellen?
Ja, gerne. Die introvertierte Ina und der extrovertierte Edgar sind beide Abteilungsleiter im selben Unternehmen. Beide hoffen sie auf die bald freiwerdende Bezirksleiterposition. Gerade sitzen sie in einem Meeting. Es geht um den Ausbau des Vertriebsnetzes im Ausland.
Ina:
„Ich habe recherchiert – die beste Möglichkeit ist eine Expansion in die EU-Märkte Osteuropas. Polen und Bulgarien haben dabei Standortvorteile. (Blickt auf ihr Papier.) Wir könnten auch von den Verbindungen profitieren, die wir in Ungarn schon haben, und dann gibt es noch die Allianz, die wir mit der tschechischen Firma Ybos haben, die könnten dann …“
Edgar:
(Unterbricht sie.) „Grundsätzlich kann das klappen – aber da gibt es ein paar Details in der Durchführung. (…) Wenn wir diese drei Dinge klären, würde ich sagen: Los geht’s!“
Abteilungsleiter:
„Hmm. Ich verstehe. Edgar, würden Sie die offenen Punkte klären?“
Edgar:
„Mache ich!“
Ina:
(Guckt fassungslos.)
Abteilungsleiter:
„Danke! Bestens. Kommen wir zum nächsten Punkt: (…)“
Ina:
(Rollt mit den Augen und verschränkt die Arme.)
Unter Stress übernehmen oft die Emotionen das Kommando. Wir fallen dann in Verhaltensweisen zurück, die uns von unserer Neigung her näher sind als all die schönen Strategien und Pläne.
Und so erstarrt Ina nach Edgars entschlossener Initiative in einer passiven Haltung, anstatt etwas zu sagen. Sie meidet den offenen Konflikt – was in ihrem Kopf abgeht, ist eine andere Sache. Extros neigen in solchen Situationen zu „lauten“ Äußerungen. So haben es Intros und Extros in diesen Fällen schwerer miteinander, weil ihre Unterschiede direkt aufeinanderprallen. Wenn sie aber ein Bewusstsein für ihre eigenen unbewusst ablaufenden Muster (und für Fortgeschrittene: die unbewussten Muster der anderen) entwickeln, können sich leise Menschen vorbereiten, angemessen reagieren und, wenn nötig, Grenzen setzen.
Was hilft Ina also?
Wenn sie …
Etwas über ihre eigenen typischen Reaktionen weiß,
Bewusst hinschaut,
Außerdem noch weiß, was sie genau will,
Weiß, wie Edgar als Extro gern reagiert und
Wie sie ihrerseits mit ihm umgehen kann.
Dann wird sie sich im Meeting mit Souveränität und auf ihr Ziel ausgerichtet äußern können.
Wie lässt sich die Situation für die Zukunft vermeiden, welche leisen Strategien können helfen?
Wer authentisch kommuniziert, hat in Statusrangeleien gute Erfolgsaussichten. „Authentisch“ heißt: Im Einklang mit den eigenen Motiven, Werten und Eigenschaften. Es geht also darum, die eigenen Ziele gemäß der eigenen Persönlichkeit zu verfolgen – und nicht den großen Zampano oder das kleine Häschen zu spielen, weil irgendwelche Rollenmodelle das zu fordern scheinen. Vielleicht ist Edgars Verhalten im Meeting in dieser Hinsicht stimmig. Ebenso stimmig sollte auch Ina handeln, wenn sie ihm etwas entgegensetzt. Wer um seine Möglichkeiten weiß, kann auch jenseits seiner „offiziellen“ Position selbstbewusst seine Möglichkeiten nutzen und in vielen Fällen andere überzeugen, die rein formal sehr viel mächtiger scheinen. Denn es geht darum, die eigenen Möglichkeiten und Fähigkeiten bewusst und möglichst gut zu nutzen – wenn Sie etwas erreichen wollen, das Ihnen am Herzen liegt.
Die eigenen Kommunikationsweisen wahrnehmen und die Unterschiede zwischen Intro- und Extro-Verhaltensweisen kennen: Diese beiden Faktoren ermöglichen Authentizität und Abstand. So bleiben gerade unter Stress negative Emotionen in vernünftigen Grenzen – und die persönliche Souveränität sorgt als Basis für Überzeugungskraft.
Was bedeutet das für die Stimme? Wie sollten leise Menschen sie einsetzen?
Nachdruck in der Stimme verleiht einer Äußerung Intensität und Dringlichkeit.
Die Person, die spricht, investiert Energie in Intonation, Lautstärke oder Akzentuierung. Damit entsteht ein Hochstatussignal, das zeigt: Der Mensch oder das Gesagte sind wichtig. Oder beides!
Aber Vorsicht: Lautstärke ist nicht automatisch stärker. Auch eine leise Stimme kann große Energie vermitteln und Hochstatus signalisieren! Viele mächtige Menschen sprechen nicht übermäßig laut. Sie sprechen zwar klar verständlich, artikuliert und mit gut dosiertem Energieeinsatz, aber nicht laut. Auch hier ist es die persönliche Sicherheit von innen heraus, die Stärke vermittelt.
Wenn Sie in einem ganz wörtlichen Sinne leise sind, dann halten Sie unbedingt Blickkontakt. Achten Sie in Ihrer Stimmführung auf ein gemäßigtes, aber nicht zu geringes Tempo, akzentuieren Sie bewusst und setzen Sie Pausen. Achten Sie ganz besonders darauf, tief und langsam in Ihren Bauch zu atmen, sodass Ihre Stimme gut trägt und stetig bleibt. Auch leise können Sie auf diese Weise kraftvoll und energisch sprechen. Einfache, kurze, klare Worte reichen dann völlig aus.
Wie hätte das also bei Ina ausgesehen?
Ina:
(Blickkontakt, mit freundlichem Nachdruck) „Moment, sofort, Edgar. Was hier also besonders wichtig ist: …“
„Laut werden“ ist nicht gleichzusetzen mit Macht. Einige der machtvollsten und einflussreichsten Menschen der Welt reden mit leiser, ruhiger Stimme. Oder haben Sie die Queen schon einmal laut erlebt?
Vor allem bei Unterbrechungen durch Mitarbeiter oder durch Kollegen, die mit Ihnen auf einer Hierarchie-Stufe stehen, gilt: Bleiben Sie beharrlich! Als Signal reicht ein freundliches: „Moment…“ – und dann reden Sie weiter! Bei Ihren Vorgesetzten kann es manchmal klüger sein, die Unterbrechung durchgehen zu lassen und über Blickkontakt und Nicken in Kontakt zu bleiben, während sie reden. Wenn es eben geht, schalten Sie sich wieder zu.
Wie lässt sich die Situation für die Zukunft vermeiden, welche leisen Strategien können helfen?
Wenn Sie dieses Interview und das Beispiel aus der Praxis neugierig gemacht und vor allem inspiriert haben, sich im Alltag mehr Gehör zu verschaffen, dann nutzen Sie auch die Video-Tipps von Dr. Sylvia Löhken. In sechs exklusiven Statements verrät die Expertin, wie leise Menschen erfolgreicher durch Ihren Alltag gehen können.
Persönliche Stärken – so nutzen Sie Ihre Vorteile
Networking – so gelingt es auch leisen Menschen
Meetings – so bereiten Sie sich richtig vor
Small Talk – so fangen Sie richtig an
Präsenz – so steigern Sie Ihre Wirkung, ohne sich zu verstellen
Meetingpräsenz – so verschaffen Sie sich Gehör
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