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Die Notwendigkeit der Integration von neuen Mitarbeitern ist vielen Unternehmen bewusst. Eckhard Eyer greift in diesem Beitrag das Beispiel Lernstatt aus der Vergangenheit auf, als zahlreiche Gastarbeiter in den 60er Jahren in Unternehmen erfolgreich integriert wurden. Er erläutert, wie Sie sich diese Ideen aus der Vergangenheit zu Nutze machen können und wie diese auch heute zu mehr Motivation und Verständnis in Ihrem Unternehme beitragen können.
Der Fachkräftemangel ist für die Wirtschaft nichts Neues, das Phänomen hatten wir in den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts schon einmal. In dieser Zeit sprach man bei einer Arbeitslosenquote von unter 1 Prozent von „Überbeschäftigung“. Die Zahlungen an die Arbeitslosenversicherung wurden für längere Zeit ausgesetzt, weil die Rücklagen ausreichten um die wenigen Arbeitslosen zu finanzieren. Anwerbeabkommen wurden mit verschiedenen Staaten – so wie heute auch – geschlossen und Mitarbeiter angeworben.
Diese Erfahrung wurde in den Jahren seit der Ölkrise 1974 vergessen, weil die Arbeitslosenzahlen kontinuierlich stiegen.
In den damaligen Boom-Regionen Rhein-Ruhr, Köln, Rhein-Main, Stuttgart und München – die Olympiade 1972 stand bevor – war der Zuzug von Mitarbeitern mit Migrationshintergrund besonders stark. Programme zur Qualifikation und Integration der neuen Mitarbeiter waren nicht vorhanden, schließlich war Deutschland kein Einwanderungsland und man ging davon aus, dass die Mitarbeiter nur vorübergehend aushelfen würden, um dann in ihr Heimatland zurück zu gehen. Die Bezeichnung „Gastarbeiter“ unterstrich das. Aber auch diese Mitarbeiter mussten integriert werden und einkaufen, einen Mietvertrag abschließen und sich im Leben in Deutschland zurechtfinden. Schulbücher „Deutsch für Ausländer“, zugeschnitten auf die Zielgruppe von Erwachsenen, die nicht zum Studium in Deutschland waren, gab es praktisch nicht. Angebote von Volkshochschulen ebenso wenig.
Innovative Unternehmen wie BMW in München und die Chemischen Werke Hoechst in Frankfurt stellten dieses Defizit fest und qualifizierten ihre Mitarbeiter in der deutschen Sprache für den deutschen Alltag. Sie nannten das Konzept “Lernstatt“, abgeleitet von „Lernen in der Werkstatt“. Meister qualifizierten ihre neuen Mitarbeiter und diese lernten auch gleich den passenden deutschen Dialekt. In der Lernstatt wurde auch erklärt wie die Fabrik funktioniert, wie Qualität produziert wird und welchen Betrag der einzelne Mitarbeiter dazu leisten kann. BMW und Hoechst stellten nach einigen Jahren fest, dass die Mitarbeiter mit Migrationshintergrund die Fabrik besser kannten und die Prozesse erklären konnten als die langjährigen einheimischen Mitarbeiter. Sie dehnten daraufhin die Lernstatt auf alle Mitarbeiter als Baustein zur Integration in der Personal- und Organisationsentwicklung aus und schafften es so die Produktionsprozesse und die Produktqualität zu verbessern und stetig weiterzuentwickeln.
Die vom Unternehmen organisierte Lernstatt von ein bis zwei Stunden pro Woche war für den „Lehrer“ Arbeitszeit, sie lag außerhalb der Schichtzeit, damit die Maschinen weiterliefen. Die Lernstatt hat einen hohen Stellenwert für die Zusammenarbeit im Team und die Identifikation aller Mitarbeiter im Unternehmen. Die Aufgabe des Sprachlehrers ist nicht auf die der Führungskräfte beschränkt, es kommt auf das Talent, die Motivation und die Zeit der Lehrenden an. Die Ausgangssituation 2020 ist besser als vor 50 Jahren, aber die Lernstatt ist trotzdem ein wichtiges Instrument in der der Personal- und Organisationsentwicklung – nicht zuletzt zur Integration und Bindung der neuen Mitarbeiter.
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