Critical Chain im Projektmanagement: Warum weniger Projekte manchmal mehr sind!

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29. Juni 2017
Projektmanagement
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Die meisten Projekte werden in der Praxis nicht rechtzeitig abgeschlossen, halten ihre Budgets nicht ein oder liefern am Ende nur einen Teil der versprochenen Ergebnisse. Warum ist das so? Uwe Techt, Experte für Unternehmensstrategie und Multiprojektmanagement, verrät im folgenden Interview, warum im Projektmanagement weniger mehr ist und wie Unternehmen die Fertigstellungsraten ihrer Projekte ganz schnell steigern können – das Schlüsselwort lautet hierbei: Critical Chain. 

Experte Uwe Techt

Uwe Techt

Geschäftsführer | VISTEM GmbH & Co. KG

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Critical Chain – was das überhaupt ist

Herr Techt, was ist die sogenannte Critical Chain im Projektmanagement? 

Die Quelle des sogenannten kritischen Wegs führt zurück in die 1950er Jahre. Damals wurde darauf hingewiesen, dass man bei der Berechnung des kritischen Weges nicht nur die sachlichen Abhängigkeiten, sondern auch die Abhängigkeiten von Ressourcen berücksichtigen muss. Dazu ein Beispiel: Zwei Projektschritte, die sachlich gesehen parallel durchgeführt werden können, dauern jeweils eine Woche; das Projekt könnte also nach einer Woche fertiggestellt sein. Dabei wurde aber möglicherweise nicht berücksichtigt, dass die Projektschritte von genau denselben Mitarbeitern bearbeitet werden müssen; das Projekt dauert dann also zwei Wochen. 

Die Schlussfolgerung daraus lautet: Wenn Ressourcen einen Engpass bilden, muss das bei der Berechnung des kritischen Wegs berücksichtigt werden. Da die Idee des kritischen Wegs im Rahmen des Raumfahrtprogramms der USA entwickelt wurde, wo es keinen Ressourcenengpass gab, wurde ein möglicher (und in Unternehmen sogar sehr wahrscheinlicher) Ressourcenengpass lange Zeit weder in Projektmanagement-Software-Systemen berücksichtigt noch in der Ausbildung von Projektmanagern integriert. 

Aus diesem Grund wurde der Begriff der „Critical Chain“ erfunden, der eine Kette (sachlich und/oder ressourcenmäßig) voneinander abhängiger Vorgänge beschreibt. 

Heute wird der Begriff „Critical Chain im Projektmanagement“ allerdings für etwas anders verwendet, nämlich für eine engpassorientierte Steuerung einer Multiprojektorganisation – also eines Unternehmens, in dem viele Projekte gleichzeitig realisiert werden und dabei auf die gleichen Ressourcengruppen zugreifen. 

Multitasking ade – warum weniger manchmal mehr ist

Was bedeutet die Definition der Critical Chain für die Projektarbeit in Unternehmen? 

In den meisten Unternehmen geht es nicht nur darum, ein einzelnes Projekt erfolgreich zu realisieren. Das ist die Aufgabe von „Projektmanagement“. Sondern es geht darum, alle Projekte zuverlässig zu liefern und dabei die Performance des Unternehmens zu steigern – das heißt, mehr Projekte mit den gleichen Ressourcen fertig zu stellen und dabei die Projektdurchlaufzeiten zu verkürzen. 

In vielen Unternehmen sind allerdings so viele Projekte gleichzeitig aktiv, dass diese sich gegenseitig in die Quere kommen. Dafür gibt es natürlich viele gute Gründe:

Die Auftragschancen sollen wahrgenommen werden. 

Die vielen Ideen für neue Produkte sollen realisiert werden. 

Und außerdem: Würde das Unternehmen so wenig Projekte gleichzeitig bearbeiten, dass diese sich gar nicht mehr gegenseitig in die Quere kommen, würde das auch bedeuten, dass immer mal wieder einige Mitarbeiter nichts zu tun haben. 

Gleichwohl: Der Umstand, dass die Projekte sich gegenseitig behindern (zum Beispiel dadurch, dass sie um Ressourcen und um Management-Aufmerksamkeit konkurrieren oder gar kämpfen müssen), hat dramatische Auswirkungen auf die Performance der Mitarbeiter und des Unternehmens:

Mitarbeiter werden zu Multitasking gezwungen. Sie wechseln also zwischen verschiedenen Aufgaben und Projekten hin und her – und zwar oft bevor sie eine Aufgabe abgeschlossen haben. Das kann man jeden Tag auf der Autobahn beobachten: Auf einer Baustelle wird nicht gearbeitet – warum? Weil die Mitarbeiter gerade auf einer anderen Baustelle sind.

Ressourcen werden dünn auf die Projekte verteilt – auch das kann man auf der Autobahn beobachten: Auf einer Baustelle sind erschreckend wenig Mitarbeiter – warum? Weil das Unternehmen mehrere Baustellen gleichzeitig bearbeiten muss.

Projekte dauern (viel) länger als sie müssten.

Termine werden gerissen – oder es werden Abstriche an den Spezifikationen oder an der Qualität gemacht, um Termine dennoch halten zu können.

Wenn sich ein Unternehmen in dieser Situation befindet, entsteht bei höheren Managern oft der berechtigte Eindruck, dass das Unternehmen eigentlich mehr leisten können müsste. Die fatale Reaktion in vielen Fällen: Noch mehr Projekte in das Unternehmen hineinzuschieben – mehr Projekte bedeutet schließlich mehr Performance. Doch das ist ein Irrglaube! Durch noch mehr Projekte kommt nicht mehr raus, sondern das Gegenteil ist der Fall. Durch das Multitasking der Mitarbeiter und Führungskräfte gehen zwischen 30 und 70 Prozent der Arbeitszeit verloren. Und das ist enorm! 

Auf diesen Irrglauben und die damit verbundenen Missverständnisse gehe ich in dem folgenden Video noch einmal detaillierter ein: 

Die Frage ist also: Wie bekommen wir es hin, mit unseren Mitarbeitern Projekte auch wirklich erfolgreich abzuschließen? Um dieses Ziel zu erreichen, müssen weniger Projekte bei den Mitarbeitern liegen. Das gelingt nur mit einer guten Organisation, mit der Mitarbeiter dann zwar an weniger Dingen gleichzeitig arbeiten, aber im Schnitt mehr fertigbekommen. 

Deshalb ist Critical Chain im Projektmanagement ein Modell für die höhere Führungsebene und die Unternehmenssteuerung. 

Schauen Sie dazu auch noch einmal in das folgende Video: 

Schritt für Schritt – wie Ihr Multiprojektmanagement gelingt

Welche Tipps geben Sie Unternehmen, um im Alltag mit der Critical Chain Methode zu starten? 

Konzeptionell gesehen ist das ganz leicht und umfasst vier einfache Schritte:

Stellen Sie eine Liste der aktuell laufenden Projekte in Ihrem Unternehmen auf

Sortieren Sie diese Liste nach der Priorität der Projekte

Setzen Sie nach der Hälfte der Projekte einen Strich

Legen Sie alles, was unter diesem Strich liegt, vorübergehend still

Diese Vorgehensweise führt dazu, dass ein Projekt, das vorübergehend (!) stillgelegt wurde, auch keine Unterbrechungen oder Störungen auslösen kann und damit den entsprechenden Mitarbeitern wieder mehr Zeit einräumt, um hoch priorisierte Projekte zu Ende bringen zu können. Wir nennen dies das Einfrieren von Projekten. Als Top Manager können Sie dann souverän sagen: 

„Sie haben mir immer schon gesagt, dass wir an zu vielen Projekten gleichzeitig arbeiten. Tut mir leid! Ich habe das lange genug nicht ernst genommen. Jetzt allerdings habe ich es verstanden. Wir haben deshalb entschieden, dass wir einen signifikanten Anteil der laufenden Projekte einfrieren, damit wir uns auf die aktiven und wichtigen konzentrieren können. Wenn ein Projekt fertig ist, entscheiden wir, was wir wieder auftauen oder sogar neu machen.“ 

Diesen wichtigen 1. Schritt erkläre ich auch noch einmal in diesem Video: 

Sichtbarer Erfolg – was Sie mit Critical Chain erreichen können

Herr Techt, was sind die konkreten Ergebnisse dieser Vorgehensweise und was sollten Unternehmen dabei beachten? 

Ich erlebe immer wieder, dass die Fertigstellungsraten von Projekten ganz schnell pro Woche um 20 bis 30 Prozent steigen. Wichtig ist aber: Wenn ich mich als Top Manager ständig darum kümmern muss, Projekte zu beobachten, zu priorisieren und einzufrieren, bin ich operativ viel zu beschäftigt. 

Das Top Management muss deshalb ein System schaffen, in dem definiert ist, wie die Projektstaffelung und die Prioritätensetzung erfolgen sollen. Nur so haben Sie als Top Manager wieder Zeit, strategische Dinge anzugehen, anstatt sich um das Tagesgeschäft zu kümmern. 

Die Critical Chain Methode hat also für das Top Management zwei wesentliche Bestandteile: Das Einfrieren von Projekten und den Aufbau eines Systems. Ihre Mitarbeiter haben dann Prioritäten und wissen genau, was wann fertig werden muss. Die Mitarbeiter müssen aber nicht selbst darüber entscheiden, sondern bekommen die Prioritäten vom Unternehmen vorgegeben. Das Unternehmen übernimmt damit auch die Verantwortung, wenn etwas zeitlich nicht geschafft wird. 

Es gibt Unternehmen, die durch diese Vorgehensweise sogar ein Plus von 250 Prozent bei der Fertigstellungsrate in nur wenigen Wochen erreicht haben.


U. Techt, VISTEM GmbH & Co. KG

Dabei muss zwischen Unternehmen unterschieden werden, die Projekte für Externe übernehmen und denen, die hauptsächlich interne Projekte auf dem Tisch haben. Bei Projekten für Externe kann ein Unternehmen sich nicht überladen, bei internen Projekten kann das viel schneller passieren. Dadurch kann bei der Priorisierung von internen Projekten mehr eingefroren werden. Es liegen dann vielleicht noch 10 Prozent der Projekte auf dem Tisch, sodass mehr fertig gestellt werden kann und die Steigerung der Fertigstellungsrate höher ist, als bei Unternehmen, die externe Projekte betreuen. 

Der Full-Kit-Ansatz – warum eine gute Vorbereitung einfach alles ist

Was ist der Full-Kit-Ansatz und wie kann er in der Praxis helfen? 

Es besteht eigentlich eine Einigkeit in Unternehmen, dass Projekte erst gestartet werden sollten, wenn diese auch gut vorbereitet sind. Es gibt aber immer auch andere, die behaupten:  

„Wir müssen unbedingt sofort mit dem Projekt anfangen, sonst wird es niemals fertig.“ 

Dass das Projekt nicht fertig wird, liegt aber nicht an dem Projekt selbst, sondern an der schlechten Priorisierung. Durch diese Situation entsteht oft der Druck, sofort mit einem Projekt starten zu müssen, anstatt zu warten, bis andere abgeschlossen sind. 

Der Nebeneffekt von Critical Chain ist daher also, dass neue Projekte zwar erst später starten, diese dadurch aber, wenn sie an der Reihe sind, besser bearbeitet werden und zwischenzeitlich nicht auf der Strecke bleiben. Am Ende führen also eine gute Vorbereitung und ein späterer Start zu einem besseren und schnelleren Ergebnis, als eine unvorbereitete Ad-hoc-Aktion. 

Diese gute und volle Vorbereitung eines Projektes nennt man den Full-Kit-Ansatz. 

Der Blick auf die Ampel – welchen Vorteil Critical Chain mit sich bringt

Wie würden Sie den großen Nutzen von Critical Chain abschließend zusammenfassen – sowohl für Mitarbeiter als auch für das Top Management? 

Der eine bereits beschriebene Nutzen ist, dass am Ende mehr Projekte pro Zeiteinheit fertig werden. Ein weiterer Nutzen ist, dass Sie als Führungskraft eine Transparenz bekommen. Was bedeutet das? Projekte werden immer subjektiv bewertet. Das führt dazu, dass Projekte, die zwar als problemlos bezeichnet werden, eigentlich ein Problem beinhalten, das lange Zeit gar nicht sichtbar war. 

Critical Chain ist deshalb eine gute Methode, um Projekte objektiv in die Ampelkategorien Rot, Gelb und Grün einzustufen. Rot signalisiert dabei, dass es schwierig wird, den Liefertermin des Projekts einzuhalten. Das Top Management kann sich dann einschalten und helfen. Wenn hingegen ein grünes Projekt von Mitarbeitern als rot beschrieben wird, hat das Top Management auch in diesem Moment die Transparenz und kann dagegenhalten. Es kann so die Entscheidung treffen, sich in diesem Fall nicht einzuschalten, sondern hat die Zeit, sich um wirklich kritische Projekte zu kümmern. 

Der große Nutzen von Critical Chain im Projektmanagement ist also nicht nur die Priorisierung für die Mitarbeiter, sondern dass auch das Top Management selbst einen Hinweis erhält, wo es gerade hinschauen sollte. 

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Checkliste: Erfolgstools im Projektmanagement

In diesem exklusiven Interview nennt Projektmanagement-Experte Herbert A. Jopp die wichtigsten Tools für Ihren Projekterfolg und verrät wichtige Tipps, die Sie im Projektalltag unterstützen sollen. 

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