Betriebsratsvergütung – der Arbeitgeber zwischen Skylla und Charybdis?

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09. September 2022
Personal
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Wie Arbeitgeber Ihre Betriebsräte richtig vergüten, ohne Besuch von der Staatsanwaltschaft zu bekommen und gleichzeitig innerbetrieblichen Frieden finden.

Der Arbeitgeber zahlt seinem Betriebsratsvorsitzenden gutes Geld – er hat ja auch große Verantwortung und wichtige unternehmerische Entscheidungen mitzugestalten. Der Betriebsratsvorsitzende will aber – natürlich – deutlich mehr. Gleichzeitig interessiert sich neuestens die Steuerfahndung und die Staatsanwaltschaft für die – aus deren Sicht viel zu hohe – Betriebsratsvergütung und spricht von Steuerhinterziehung und Untreue. Was nun?

In diesem kurzen Beitrag stellen Dr. Thomas Rothballer und Martin Weingärtner die Grundlagen der Betriebsratsvergütung dar und geben Praxistipps, was Arbeitgeber – möglichst schon frühzeitig – unternehmen können, um unangenehmen Besuch von der Staatsanwaltschaft und der Steuerfahndung vorzubeugen sowie ihre Betriebsratsmitglieder zugleich fair zu vergüten.

Experte Dr. Thomas Rothballer

Dr. Thomas Rothballer

Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht | Kanzlei Dr. Rothballer

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Experte Martin Weingärtner

Martin Weingärtner

Rechtsanwalt, Managing Associate | ARQIS Rechtsanwälte Partnerschaftsgesellschaft mbB

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Rechtliches Grundgerüst der Betriebsratsvergütung

Um zu verstehen, warum Staatsanwaltschaft und Steuerfahndung die Betriebsratsvergütung derzeit besonders „auf dem Schirm haben“, sehen wir uns zunächst die arbeitsrechtlichen Grundlagen an. Grob zusammengefasst lässt sich die Entgeltentwicklung eines Betriebsrats über zwei Wege bestimmen. Einerseits über die betriebsübliche Entwicklung von Vergleichspersonen und andererseits über eine hypothetische Betrachtung.
 

1. Die Vergleichspersonen für die Betriebsratsvergütung

Die erste wichtige Erkenntnis ist, dass das Betriebsratsamt ein Ehrenamt ist (§ 37 Abs. 1 BetrVG) und das Betriebsratsmitglied keine Vergütung für sein Betriebsratsamt verlangen darf. Vielmehr gilt das Lohnausfallprinzip (§ 37 Abs. 2 BetrVG). Danach kann ein Betriebsratsmitglied die Bezahlung verlangen, die es bekommen hätte, wenn es nicht Betriebsrat wäre, sondern tatsächlich gearbeitet hätte. Vom Lohnausfallprinzip sind auch Gehaltsbestandteile wie zum Beispiel Schicht- und Mehrarbeitszuschläge oder Provisionen und Zielvereinbarungsboni erfasst.

Die Vergütungsentwicklung von Betriebsratsmitgliedern bestimmt sich sodann zum einen nach der Entwicklung von vergleichbaren Arbeitnehmern (§ 37 Abs. 4 BetrVG). Verkürzt dargestellt: Erhält die Mehrzahl der Vergleichspersonen mehr Geld, ist auch dem Betriebsratsmitglied entsprechend mehr zu bezahlen. So einfach dies im ersten Schritt klingt, so schwierig ist die Umsetzung im Detail. Das beginnt schon bei der Frage, wer denn ein solcher „vergleichbarer Arbeitnehmer“ sein soll. Vergleichspersonen sind all jene, die eine vergleichbare Tätigkeit erbracht haben und hierfür ähnlich qualifiziert waren. Die Krux an der Sache ist, dass die Rechtsprechung bezüglich der Vergleichbarkeit auf die erstmalige Amtsübernahme abstellt – und nicht auf die heutige Situation. War das Betriebsratsmitglied also bei Amtsübernahme als Hilfsarbeiter tätig, so müssen die Vergleichspersonen ebenfalls Hilfsarbeiter gewesen sein. Problematisch wird dieser Umstand, wenn die Amtsübernahme schon etliche Jahre zurückliegt und das Unternehmen verzweifelt versucht, Arbeitnehmer zu finden, die damals vergleichbar waren.

Sind aber ausreichend Vergleichspersonen gefunden, hat ein Betriebsratsmitglied einen Anspruch auf eine Vergütungsentwicklung, wenn die Mehrheit der Vergleichspersonen eine solche Entwicklung vollzogen hat. Kurz gesagt, sobald der Median der Vergleichsgruppe eine Beförderung erhalten hat, bekommt diese auch das Betriebsratsmitglied. Dieser Umstand erweist sich in der Praxis regelmäßig als problematisch, wenn das Betriebsratsmitglied aus einem Bereich kommt, in dem Beförderungen von Arbeitnehmern die Seltenheit sind. Am Beispiel des ehemaligen Hilfsarbeiters bedeutet das Folgendes: Entwickeln sich die Hilfsarbeiter nicht weiter, so bleibt auch das Betriebsratsmitglied in seiner Entwicklung stehen. Dabei ist es vollkommen unerheblich, dass das Betriebsratsmitglied im Rahmen seiner Amtstätigkeit teilweise auf Augenhöhe mit der Leistungsebene des Unternehmens verhandelt.
 

2. Hypothetische Betrachtung

So ganz ohne Entwicklungsmöglichkeit steht das Betriebsratsmitglied in dieser Situation aber doch nicht da. Denn es hat die Möglichkeit eine bessere Entwicklung als die Vergleichsgruppe geltend zu machen. Es ist nämlich eine hypothetische Betrachtung vorzunehmen und festzustellen, wie das Betriebsratsmitglied vergütet werden würde, wäre es nicht Mitglied des Betriebsrats. All dies ist Ausfluss des Begünstigungs- und Benachteiligungsverbots (§ 78 S. 2 BetrVG).

Was in der Theorie so einfach klingt, stellt sich in der Praxis sehr schwierig dar. „Was wäre wenn?“ Solche hypothetischen Fragen sind schwierig zu beantworten – und noch schwieriger zu beweisen. So war es früher für Betriebsratsmitglieder faktisch unmöglich, vor dem Arbeitsgericht eine solche Beförderung erfolgreich einzuklagen. Heute gewährt das Bundesarbeitsgericht ein wenig Hilfe und lässt einen Vortrag von Hilfstatsachen für die Beweisführung zu. Aber simpel ist das alles keineswegs, da ein Großteil der damit verbundenen Rechtsfragen noch immer nicht gerichtlich entschieden wurde.
 

3. Die Folgen einer zu hohen Betriebsratsvergütung

Was passiert aber, wenn die Gehaltsentwicklung des Betriebsratsmitglieds weder über die Vergleichsgruppe noch über eine hypothetische Betrachtung zu rechtfertigen ist? Eine solche Vergütung stellt eine Begünstigung des Betriebsratsmitglieds dar. Betriebsratsmitglieder dürfen nämlich nicht nur nicht benachteiligt werden, sie dürfen ebenso wenig begünstigt werden (§ 78 S. 2 BetrVG). Wird ein Betriebsratsmitglied durch eine bestimmte Vergütungsgewährung begünstigt, so ist diese Vergütungsgewährung nichtig. Dabei ist es völlig egal, ob der Arbeitgeber die Vergütung freiwillig zahlt, ob eine Vereinbarung hierzu abgeschlossen wurde und ob das Betriebsratsmitglied mit diesem Geld fest gerechnet hat. Selbst ein angepasster Arbeitsvertrag ist nichtig. Es geht sogar so weit, dass der Arbeitgeber die zu hoch angesetzte Vergütung vom Betriebsratsmitglied zurückfordern muss – ob er will oder nicht.
 

a) Strafbarkeit und Steuerhinterziehung beider Betriebsratsvergütung

Das weitaus größere Problem stellt sich für den Arbeitgeber auf strafrechtlicher Seite. Durch die Nichtigkeit der Vergütungsabrede entfällt der Rechtsgrund für die zu hohen Gehaltszahlungen. Das Unternehmen zahlt Gelder aus, auf die das Betriebsratsmitglied gar keinen Anspruch hat. Dies kann eine Untreuestraftat (§ 266 StGB) darstellen. Dass es sich hierbei nicht nur um ein theoretisches Risiko handelt, zeigte jüngst das LG Braunschweig, welches sich mit der Betriebsratsvergütung bei Volkswagen beschäftigte und große Wellen geschlagen hat.

Schlimmer noch, das Unternehmen hat die zu hohen Gehaltszahlungen als Betriebsausgaben angesetzt. Durch die überhöhten Betriebsausgaben wurde der zu versteuernde Gewinn reduziert. Es wurden also Steuern in zu geringer Höhe abgeführt. Das führt nicht nur zu Nachzahlungen samt Säumniszuschlägen. Auch die Steuerhinterziehung ist strafbar.
 

b) Sensibilisierung und Prävention als bester Schutz

Was ist Unternehmen im Umgang mit der Vergütung seiner Betriebsräte also zu raten? Sollten Vergütungserhöhungen von Betriebsräten aus Sicherheitsgründen nur im absoluten Ausnahmefall erfolgen? Das wäre theoretisch denkbar – in der Praxis allerdings ein Irrsinn. Ein Unternehmen profitiert gerade von einem kompetenten Betriebsrat. Ist von vornherein klar, dass die Amtsübernahme eine karrieretechnische Sackgasse ist, werden leistungsstarke Kandidaten abgeschreckt. Im Zweifel holt sich das Unternehmen hierdurch nur andere Probleme ins Haus. Auch das ist nicht der Sinn und Zweck des Betriebsverfassungsgesetztes.

Deswegen kann Unternehmen nur geraten werden, die Thematik Betriebsratsvergütung nicht stiefmütterlich zu behandeln, sondern Sensibilität bei den handelnden Personen sowie auf Betriebsratsseite zu schaffen. Zu jeder gut aufgestellten Unternehmens-Compliance gehört zwingend die „Betriebsratsvergütung“. Nur so kann gewährleistet werden, dass alle Parteien ihren Handlungsspielraum kennen und der Spagat zwischen Begünstigung und Benachteiligung gelingt. Darüber hinaus sollte gleich mit der ersten Amtsübernahme eine Festlegung von Vergleichspersonen erfolgen, damit dies nicht mühsam im Nachhinein erfolgen muss. Auch sollten vergütungsrelevante Sachverhalte stets mit Begründung in der Personalakte dokumentiert werden. Alles in allem handelt es sich aber um eine komplizierte Materie, in der Fehler teilweise erst viel zu spät auffallen und sich dann gar nicht mehr oder nur sehr unangenehm korrigieren lassen. Deshalb sollte mindestens bei den wichtigen Entscheidungen nicht davor zurückgeschreckt werden, kompetente Beratung hinzuzuziehen. Wer keinen Besuch der Staatsanwaltschaft, keine Schreiben der Steuerfahndung bekommen und gleichzeitig seine Betriebsratsmitglieder fair entlohnen möchte, hat – aus unserer Sicht zwingend – eine kritische Bestandsaufnahme zu machen, die notwendigen Korrekturen durchzuführen und anschließend in einem rechtssicheren Rahmen in der Zukunft die Vergütung weiterzuentwickeln.

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