Betriebsrätemodernisierungsgesetz: Das ändert sich bei der Digitalisierung der Betriebsratsarbeit

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16. Mai 2022
Digitalisierung, Recht
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Die digitale Transformation wirkt sich auch auf die Betriebsratsarbeit und Fragen der Mitbestimmung aus. Das im letzten Jahr in Kraft getretene Betriebsrätemodernisierungsgesetz soll deshalb nicht nur die Gründung von Betriebsräten vereinfachen, sondern insbesondere beteiligte Arbeitnehmende in der digitalen Arbeitswelt besser schützen.

Dr. Tobias Brors, Leiter unseres Seminars „Digitalisierung und Betriebsrat“, stellt Ihnen als Fachanwalt für Arbeitsrecht die wichtigsten Änderungen durch das Betriebsrätemodernisierungsgesetz vor und setzt sich zudem praxisnah mit jenen Aspekten des Gesetzes auseinander, welche für die Zusammenarbeit zwischen Betriebsräten und Arbeitgebern im digitalen Raum von Bedeutung sind.

Experte Dr. Tobias Brors

Dr. Tobias Brors

Partner, Fachanwalt für Arbeitsrecht | Pusch Wahlig Workplace Law

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Die Änderungen des Betriebsrätemodernisierungsgesetzes im Überblick

Das Betriebsrätemodernisierungsgesetz verfolgt unter anderem das Ziel, Mitbestimmungsrechte beim Einsatz von Künstlicher Intelligenz und bei der Ausgestaltung mobiler Arbeit zu stärken. Auch die Digitalisierung der Betriebsratsarbeit soll weiterentwickelt werden.

Das sind die Änderungen des Gesetzgebers im Hinblick auf die vorgenannten Aspekte:

Digitalisierung (Sitzungen, Beschlüsse, KI)

Mitbestimmungsrecht bzgl. mobiler Arbeit

Datenschutzrechtliche Verantwortung

Versicherung der Arbeit im Homeoffice

Gab es hierfür in der Praxis Handlungsbedarf und wie praxistauglich ist die Umsetzung durch das Betriebsrätemodernisierungsgesetz?

Mobiles Arbeiten

Aufgrund der enormen Ausweitung des mobilen Arbeitens in der Unternehmenswelt, hat der Gesetzgeber in § 87 I Nr. 14 BetrVG eine explizite Regelung dieses Themenkomplexes vorgenommen.

„Der Betriebsrat hat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, in folgenden Angelegenheiten mitzubestimmen: Ausgestaltung von mobiler Arbeit, die mittelsInformations-undKommunikationstechnik erbracht wird.“

Das neue Mitbestimmungsrecht beschränkt sich auf das „Wie“, eine Mitbestimmung über das „Ob“ von Homeoffice besteht nicht.

Im Zusammenhang mit Homeoffice wurde der gesetzliche Unfallversicherungsschutz erweitert. Das Schutzniveau wurde an das im Betrieb angeglichen. So sind nun beispielsweise auch Wege in die Küche, zur Toilette oder sogar zur Betreuungsstätte des Kindes versichert.

 

Aus der Praxis:

In materieller Hinsicht wurde auch bereits vor Einführung dieses Tatbestandes ein Mitbestimmungsrecht in weiten Teilen des juristischen Schrifttums im Zusammenhang mit mobiler Arbeit bejaht. Bislang wurde dieses im Wesentlichen auf § 87 Abs 1. Nr. 1 (Ordnungsverhalten der Arbeitnehmer im Betrieb), Nr. 2,3 (Arbeitszeit), Nr. 6 (technische Einrichtungen) sowie Nr. 7 BetrVG (Maßnahmen zum Gesundheitsschutz) gestützt. Wenngleich sich aus den bisherigen Vorschriften Beteiligungsrechte des Betriebsrates im Hinblick auf wichtige Praxisaspekte des mobilen Arbeitens herleiten ließen, wie etwa die Einführung von Kernarbeitszeiten und Pausenregelungen im Homeoffice (§ 87 Abs. 1 Nr. 2,3 BetrVG - Arbeitszeit), die Einführung von VPN-Clients und Kommunikationssoftware wie beispielsweise MS-Teams und Skype (§ 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG - Einführung technischer Einrichtungen, welche objektiv zur Überwachung geeignet sind, BAG Beschluss v. 13. Dez. 2016 – 1ABR 7/15) und die Informationsbeschaffung zur Gefährdungsbeurteilung im Rahmen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes im Homeoffice (§ 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG), so blieben dennoch wesentliche Bereiche des mobilen Arbeitens bislang mitbestimmungsfrei, so dass der Arbeitgeber – unter Beachtung der geltenden Arbeitsschutzvorschriften – eine alleinige Regelung vornehmen konnte.

Für viele Arbeitnehmer ist die Erbringung der Arbeitsleistung von einem weitgehend beliebigen Arbeitsort eher die Regel als die Ausnahme geworden. Neue Kommunikationssysteme haben einen wesentlichen Anteil an der arbeitsteiligen Wertschöpfung im Betrieb erlangt. Die Anteile der Arbeitszeit, in denen Mitarbeiter in Videokonferenzen oder vergleichbaren Kooperationsplattformen miteinander verbringen, sind erheblich. Verstärkt berichten Mitarbeiter über die zum Teil enormen psychischen wie physischen Belastungen, die sich aus einem weitgehend virtuellen Arbeitsumfeld ohne direkten Kontakt zu den Kollegen ergeben. Zu nennen sind hier die Entgrenzung des Beruflichen und Privaten und eine damit zusammenhängende Überlastung (Stichwort: „Recht auf Nicht-Erreichbarkeit“), nicht ergonomisch eingerichtete Arbeitsplätze (Kopf- und Rückenschmerzen, Nacken- und Schulterbereich) sowie fehlende soziale Interaktion und erschwerte virtuelle Kommunikation.

Die explizite Aufnahme eines Mitbestimmungsrechts zur mobilen Arbeit schließt die bisherigen Lücken bei den gesetzlichen Einflussnahmemöglichkeiten der Betriebsräte in diesem Regelungskomplex.

Künstliche Intelligenz (KI)

Betriebsräte können bei Fragen der Einführung oder Anwendung von KI einen externen Sachverständigen zu Rate ziehen. Dies ist aufgrund gesetzlicher Fiktion, eingeführt durch das Betriebsrätemodernisierungsgesetz, nun immer erforderlich und damit möglich.

Der Betriebsrat hat nun außerdem auch bei Auswahlrichtlinien mitzubestimmen, wenn bei der Aufstellung der Richtlinien KI zum Einsatz kommt. Darüber hinaus wurde durch das Betriebsrätemodernisierungsgesetz ein Unterrichtungs- und Beratungsrecht des Betriebsrats normiert, welches besteht, wenn der Arbeitgeber den Einsatz von KI plant.

 

Aus der Praxis:

In den meisten Unternehmen dürfte die hierdurch erfolgte Erweiterung der Beteiligungsrechte des Betriebsrates im Zusammenhang mit dem Einsatz von Software jedoch zunächst überschaubar bleiben. Dies liegt vor allem daran, dass das bereits bestehende Mitbestimmungsrecht bei der Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen, die zur Kontrolle von Leistung und Verhalten der Arbeitnehmer geeignet sind gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG bereits jetzt beinahe grenzenlos geworden ist. Kaum ein arbeitsorganisatorischer Prozess kommt heute ohne den Einsatz von Software aus, bei der die Interaktion eines Mitarbeiters mit dem System individuell nachvollziehbar ist. Der Betriebsrat hat bei sämtlichen gängigen Kommunikations- und Personalverwaltungssystemen, die aktuell die Haupterscheinungsbereiche von KI sind, Mitbestimmungsrechte. Da die meisten dieser Produkte aufgrund ihrer SAAS (Software as a Service) Struktur für den Arbeitgeber – wenn überhaupt – nur sehr eingeschränkt konfigurierbar sind, hat der Betriebsrat eine dominante Position bei den Verhandlungen über die Einführung und Verwendung solcher Systeme. Ob es in diesem Zusammenhang einer weiteren Ausweitung der Mitbestimmungsrechte bedurfte, erscheint jedenfalls aus Unternehmensperspektive mehr als fraglich. Da der Einsatz von KI den Betriebsrat aufgrund der Komplexität bereits nach der aktuellen Rechtsprechung zur Hinzuziehung von Sachverständigen berechtigt haben dürfte, ist auch der durch die Gesetzesänderung entstehende praktische Mehrwert für die Betriebsräte fraglich.

In der Praxis besteht die Schwierigkeit für Betriebsräte und Arbeitgeber gleichermaßen darin, wirklich qualifizierte Sachverständige für die Beratung zu gewinnen. Qualifizierte Berater in diesem Bereich sind schlicht Mangelware. Berater mit nicht immer auf dem „Stand der Technik“ befindlichen Qualifikationen verkomplizieren die Prozesse oftmals eher, als dass sie den Betriebsparteien mit Lösungsvorschlägen zur Seite stehen, welche die technische Realität ins Auge fassen und sich nicht in ideologischen Grabenkämpfen erschöpfen. Die eigentlich brennenden Praxisfragen im Zusammenhang mit der Mitbestimmung bei Softwaresystemen hat der Gesetzgeber mit dieser Anpassung jedenfalls nicht angetastet.

Digitalisierung der Betriebsratsarbeit

Die bis zum 19. März 2022 befristete Corona-Regelung zu virtuellen Betriebsratssitzungen (§ 129 BetrVG) wird von einer unbefristeten Regelung abgelöst. Es ist eine Festlegung in der Geschäftsordnung erforderlich – Präsenzsitzungen muss hierbei Vorrang eingeräumt werden. Virtuelle Sitzungen sind ab einem Widerspruch von ¼ der Mitglieder unzulässig. Außerdem muss sichergestellt sein, dass Dritte vom Inhalt der Sitzung keine Kenntnis nehmen können.

Durch das Betriebsrätemodernisierungsgesetz können nun außerdem Betriebsvereinbarungen, Einigungsstellenbeschlüsse sowie Interessenausgleich und Sozialplan in elektronischer Form geschlossen beziehungsweise niedergelegt werden.

 

Aus der Praxis:

Bei vielen Betriebsräten, auch bei solchen mit vornehmlich gewerblicher Prägung, ist die Arbeit mit IT-Systemen und den gängigen Kommunikationssystemen im Alltag angekommen. Es stellt sich die Frage, warum eben diese Systeme, die in der Praxis oftmals die Grundlage für wesentliche Teile der Kommunikation, Abstimmung und Verhandlung mit dem Arbeitgeber darstellen, bei inneren Angelegenheiten des Betriebsrates eher restriktiv zum Einsatz kommen sollen. Gleichwohl ist es sehr zu begrüßen, dass der Gesetzgeber von seinem bisherigen Beharren auf rein analoge und herkömmliche Foren der Betriebsratsarbeit Abstand genommen hat.

Datenschutzrechtliche Verantwortung

Der Gesetzgeber hat klargestellt, dass der Arbeitgeber datenschutzrechtlich verantwortlich für die Verarbeitung personenbezogener Daten durch den Betriebsrat ist. Den Betriebsrat trifft eine Pflicht den Arbeitgeber hierbei zu unterstützen und innerhalb seines Zuständigkeitsbereichs eigenständig für Datensicherheit zu sorgen. Der Arbeitgeber hat notwendige Sachmittel zur Verfügung zu stellen.

 

Aus der Praxis:

Wenn die Betriebsratsarbeit unter Einsatz von IT-Systemen des Arbeitgebers erfolgt, so ist es auch folgerichtig, dass er die datenschutzrechtliche Verantwortung hierfür trägt. Es muss dem Arbeitgeber hierbei – selbstverständlich unter Wahrung der Vertraulichkeit – möglich sein, auch die vom Betriebsrat verwendeten Systeme und Datensätze zum Zwecke der Gewährleistung der Datensicherheit zu administrieren. Es ist bei Annahme der datenschutzrechtlichen Verantwortlichkeit des Arbeitgebers und den damit einhergehenden Haftungsrisiken konsequenterweise auch sicherzustellen, dass die Betriebsräte ausschließlich betriebliche Infrastruktur nutzen und keine personenbezogenen Daten in Parallelsystemen und Plattformen wie etwa WhatsApp, Meta usw. verarbeiten.

Ausblick und Fazit zu den Auswirkungen des Betriebsrätemodernisierungsgesetzes

Es wäre wünschenswert, wenn der Gesetzgeber über die rechtspolitisch motivierte Ausweitung der Mitbestimmungsrechte hinaus, Regelungen entwickelt, die einen echten Beitrag zur Fortentwicklung der Digitalisierung der Betriebsratsarbeit zulässt. Insbesondere muss das Mitbestimmungsrecht eine Anpassung an die technischen Realitäten erfahren, in der sich kontinuierlich fortentwickelnde SaaS Systeme nicht vollständig vom Arbeitgeber kontrolliert und konfiguriert werden können. Die innerbetriebliche Konfliktlösung über eine Einigungsstelle ist langsam und birgt die Gefahr, dass Arbeitgeber nicht in der Lage sind, den stetig zunehmenden Cyberbedrohungen durch umgehende technische Maßnahmen wirksam entgegentreten zu können, ohne sich u. U. mitbestimmungswidrig verhalten zu müssen. Aus Arbeitgebersicht wünschenswert ist eine Einschränkung des Einigungserfordernisses für jene Maßnahmen, die zur Aufrechterhaltung der Systemsicherheit erforderlich sind.

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