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Schon letztes Jahr veröffentlichte die GFT eine Studie, nach der weltweit mobile Bezahlverfahren auf dem Vormarsch sind. Und der Trend hat sich gewiss nicht umgekehrt! Doch konnte kontaktloses Bezahlen in Deutschland noch nicht so richtig Fuß fassen. Woran liegt das? An den Menschen oder an der Technik? Wie groß ist die Angst, bargeldlos zu bezahlen? Und wie hoch ist das Vertrauen in digitale Alternativen? In diesem Beitrag gehen wir diesen Fragen auf den Grund, sprechen mit Payment-Experte Jochen Siegert und verraten, ob es Licht am Ende des Mobile Payment Tunnels gibt.
Während in Ländern wie den USA, Großbritannien oder Japan die Leute komfortabel mit Smartphone, Smartwatch oder Kreditkarte an der Kasse oder am Kartenleser von Supermärkten, Tankstellen und Co. vorbeispazieren, kramen in Deutschland noch die meisten in ihren Geldbörsen, Hand- oder Hosentaschen nach dem passenden Kleingeld. Die Deutschen scheinen Bargeld zu lieben. Nach einer aktuellen Allensbach-Umfrage geben immerhin zwei Drittel an, Münzen und Scheine seien nach wie vor ihr liebstes Zahlungsmittel – bargeldlose Alternativen haben es demnach schwer.
Das Internet ist für uns Alle Neuland und es ermöglicht Feinden und Gegnern unserer demokratischen Grundordnung, mit völlig neuen Möglichkeiten und Herangehensweisen unsere Art zu leben in Gefahr zu bringen.
Diese berühmten Worte sprach unsere Bundeskanzlerin vor wenigen Jahren bei einem Staatsbesuch von Barack Obama. Und sie illustrieren das, wofür Deutschland bekannt ist: Einen in der Gesellschaft verankerten Technologie-Skeptizismus. Neue Dienste und Geräte werden zunächst kritisch beäugt und hinterfragt – insbesondere auf die Lücken, die sie in Datenschutz und Privatsphäre reißen, so auch das kontaktlose Bezahlen. Selbst aufgeklärte Nutzer, oder vielleicht gerade die, stimmen oftmals in die Debatten zu neuen digitalen Möglichkeiten mit ein. Gleichzeitig wird diesen Themen politisch noch wenig Bedeutung beigemessen – nicht nur das Mobile Payment, auch der Breitbandausbau und weitere Beispiele belegen das.
Der spannenden Frage, ob die Deutschen überhaupt Interesse daran haben, zukünftig bargeldlos zu bezahlen, ist Jochen Siegert, Vorstand der traxpay AG, für uns nachgegangen. Er sieht, wie wir bereits angedeutet haben, ebenfalls ein großes Problem im Verhalten der deutschen Kunden – die fiktive Oma Müller, die ihr Leben lang mit Münzen zahlte, werde schließlich nicht plötzlich anfangen, Apple Pay oder andere bargeldlose Alternativen zu nutzen.
Herr Siegert, beschreiben Sie uns doch kurz aus Ihrer Sicht die aktuelle Lage im Bereich Mobile Payment in Deutschland?
Es kommt darauf an, wie man „Mobile Payment“ definiert. Versteht man darunter, mit dem Mobiltelefon im stationären Handel zu bezahlen, sind wir noch in der Embryonal-Phase. Seit Jahren ist sehr viel Geld in viele gescheiterte Pilotprojekte versickert. Man denke nur an Yapital, mpass, Telekom Mywallet, aber auch PayPal QR Shopping und viele mehr. Aber es gibt durchaus Lichtblicke: Payback Pay funktioniert erstaunlich gut, zumindest meine persönliche Erfahrung bei dm-drogerie markt, wo es sogar schneller und einfacher geht, als mit Bargeld oder Karte. Aber auch hier gibt es noch profane „Geburtsschmerzen“: Mitarbeiter wissen nicht immer, wo der Knopf im Kassensystem ist und bei Kunden kann es auch noch nicht in der Masse angekommen sein, wenn ich immer derjenige bin, der das Kassenpersonal „schult“. Auch ApplePay ist ein vielversprechender Ansatz, wenn auch bislang in Europa nur „um uns herum“ in Großbritannien, Frankreich oder der Schweiz.
Definiert man als Mobile Payment aber das Online-Bezahlen, initiiert von Mobiltelefonen, dann ist Mobile Payment längst angekommen! Schon 40 Prozent des Online-Handels in Deutschland wird von mobilen Endgeräten abgewickelt und bezahlt. Zahlmethoden, die keine mobilen Screens haben oder die mobil nur schwer nutzbar sind, werden verschwinden. Denn der Handel wird es nicht zulassen, dass er Umsatz verliert, nur weil ein Bezahlverfahren sich auf die neue „mobile“ Lebenswirklichkeit der Kunden nicht eingestellt hat. Das Schlimme daran: Obwohl die Fakten der mobilen Nutzung und Zahlung im Online-Handel seit Jahren bekannt sind, gibt es bei etlichen Zahlverfahren auch Ende 2016 noch immer keine durchgehende „Mobile-First“ Strategie.
Wie wird das in zehn bis 20 Jahren aussehen? Werden wir immer noch am Bargeld festhalten?
Naja, der Anteil des Bargelds im Einzelhandel sinkt seit Jahren konstant um ein bis 1,5 Prozent pro Jahr zugunsten der Kartenzahlung und macht im Einzelhandel „nur“ noch knapp 50 Prozent aus. Daher kann man extrapolieren, wie lange Bargeld noch eine Rolle spielen wird: Wenn es so weiter geht, sind wir in zehn bis 20 Jahren noch bei einem Bargeld-Marktanteil von +/- 30 Prozent. Das heißt, es wird uns noch länger erhalten bleiben. Es sei denn, wir Deutsche verändern unser Zahlverhalten signifikant, woran ich nicht glaube. Neue, innovative Zahlmethoden kannibalisieren eher die Kartenzahlmethoden im Handel oder sind nur ein anderer Formfaktor einer Kartenzahlung. Oma Müller, die im Supermarkt immer noch nach den Münzen in der Geldbörse kramt, wird nicht plötzlich bargeldlos und mobil bezahlen, nur weil es dann Apple Pay gibt.
Welche Länder sind im Bereich Mobile Payment Vorreiter und warum?
Asien ist seit Jahren deutlich weiter. Während die deutschen Banken dieses Jahr erste Pilotprojekte rund um kontaktloses Bezahlen mit der Girocard gestartet haben, ist dies seit Jahren oder gar Jahrzehnten in Asien nicht mehr wegzudenken. Daher ist dort die Migration der Kartenzahlung vom „Stück Plastik“ ins Mobiltelefon längst passiert. Auch im P2P-Bereich, also bei Zahlungen unter Privatpersonen, ist beispielsweise China unserer „westlichen“ Welt um Jahre voraus. Bei uns ist es noch eine Pressemitteilung, wenn die Banken P2P-Zahlungen einführen oder Facebook in den Messenger eine Zahlfunktionalität integriert. In China werden bereits Milliarden-Beträge über den Messenger WeChat abgewickelt.
Müssen alle Händler – so klein Ihr Geschäft auch ist – Mobile Payment-Lösungen anbieten?
Niemand „muss“ etwas anbieten – ich zahle auch immer noch bar bei meinem Bäcker, mit den Scheinen, die ich Minuten vorher aus dem Geldautomaten der Bank nebenan entnommen habe, nur damit der Bäcker am Ende des Tages das Geld vermutlich bei der gleichen Bank entsorgt. Das alleine ist schon ein Anachronismus, denn im Ausland kann man meist auch bei kleinen Händlern viel schneller bargeldlos oder sogar kontaktlos mit der Karte bezahlen.
Dabei „rechnet“ sich das alles gar nicht mehr für den kleinen Händler, wenn man die Bargeldkosten berücksichtigt und vor allem die Zeit für die Barzahlung, wenn Oma Müller vor einem in der Schlange steht.
Wenn der Handel verstanden hat, dass er mit innovativen Mobile Payment-Lösungen mehr Umsatz generiert oder weniger Kosten hat, wird sich das Problem lösen. Starbucks ist beispielsweise in den USA der größte Mobile Payment-Anbieter. Warum? Weil die Kunden nicht mehr Schlange stehen müssen, vorab per App bestellen, bezahlt haben und dann im Laden an der „Kassenschlange“ vorbei direkt zum Barista gehen und den Kaffee abholen – das ganze sogar mit GPS-Information aus der App, wenn sich der Kunde dem Laden nähert. Damit erst dann der Kaffee frisch aufgebrüht wird, wenn der Kunde in den Laden kommt. Diese „Bequemlichkeit“ sorgte für einen signifikanten Umsatzsprung bei Starbucks.
Welche digitalen Trends finden Sie derzeit noch spannend?
Zwei große und miteinander verbundene Trends: Payment wird verschwinden und Voice Commerce wird kommen! Amazon verschickt bereits Lebensmittel in Berlin innerhalb von einer Stunde bis an die Haustür mit Prime Now und hat mit Alexa eine digitale Assistentin, über die man ganz einfach sprachgesteuert einkaufen kann – fast wie vor Ort beim Bäcker, nur dass man nicht unfreundlich behandelt wird, wenn man statt „Schrippen“ vielleicht „Brötchen“ sagt. „Alexa, bestelle mir eine Packung Toast und Brötchen fürs Frühstück“ und eine Stunde später werden diese an die Haustür geliefert – das war‘s! Haben Sie in diesem Kontext was von Payment gemerkt? Nein, denn Amazon belastet im Hintergrund die normale Kreditkarte beziehungsweise das Bankkonto per Lastschrift. Payment verschwindet mehr und mehr und wird enger in die Einkaufsprozesse integriert, statt ein eigenständiger, getrennter Prozess am Ende eines Kaufs zu sein. Das ist alles schon da und funktioniert auch bei uns und in Berlin als Pilotprojekt! Wenn wir dies in ein paar Jahren als „normal“ ansehen und mit unseren Siris, Alexas, Googles, Cortanas sprechen und einkaufen, wird sich die Art und Weise des Bezahlens wieder massiv geändert haben. Das ganze Thema Payment bleibt also spannend!
Sind die Mobile Payment-Möglichkeiten noch zu unübersichtlich?
Die Meinung unseres Experten hat uns nun einen beträchtlichen Schritt weitergebracht, um zu verstehen, warum es Mobile Payment in Deutschland (noch) schwer hat. Doch mobiles, bargeldloses oder kontaktloses Bezahlen ist nicht nur eine Frage der Mentalität.
In Ländern, in denen das mobile Bezahlen funktioniert, ist einfach oftmals die Nutzung besonders einfach, schreibt der Bank-Blog. Es gibt meist weit verbreitete Apps, deren Anbieter gut mit den Banken zusammenarbeiten. Die Bezahl-App der Danske Bank ist beispielsweise in Dänemark sogar ein mobiler Bezahlstandard. Währenddessen gleicht die Landschaft der Mobile Payment-Angebote in Deutschland bisher noch eher einem Flickenteppich.
Ehemals bekannte Anbieter wie Yapital oder Mpass sind nicht mehr auf dem Markt, während neue hinzukommen. Da geht es um kontaktloses Bezahlen via NFC mit Abbuchung von Konto, Kreditkarte oder einer Wallet-App, um Bezahl-Apps nach dem Prepaid-Prinzip, teilweise auch ganz ohne NFC, und auch um die Bezahllösungen der Smartphone-Hersteller wie Apple Pay, die es bisher noch nicht in Deutschland gibt. Insgesamt ist diese Landschaft sehr unübersichtlich – und damit für den sprichwörtlichen Otto-Normal-Verbraucher noch schwer zugänglich.
Eine Deloitte-Untersuchung bestätigte das: 96 Prozent der Befragten (altersübergreifend) haben noch nie in einem Ladenlokal per Smartphone bezahlten. Die Hauptgründe sind Sicherheitsbedenken, ein nicht erkennbarer Mehrwert sowie die angesprochene Unübersichtlichkeit der Angebote.
Wird mit PSD2 kontaktloses Bezahlen in Deutschland endlich einfacher?
Nun soll alles anders werden. Laut Prognosen soll das Transaktionsvolumen insbesondere im Segment Mobile Payment in den kommenden fünf Jahren jährlich um 85,1 Prozent wachsen. Denn zum einen gibt es am Point of Sale in den Supermärkten oder in der Gastronomie immer mehr Terminals, die diese Bezahlvarianten unterstützen. Zum anderen wird auch von Seiten der Bankenaufsicht nachgelegt: Die neue Zahlungsdiensterichtlinie PSD2 soll auf dem gesamten EU-Markt Transaktionen vereinfachen. Sie öffnet den Markt für sogenannte „Third Party Payment Providers“ und zwingt Banken, die Zahlungsdienste dieser Drittparteien zu unterstützen.
PwC kommt in einer Untersuchung zu dem Schluss, dass auch in Deutschland die Akzeptanz für mobile Bezahlverfahren durchaus da wäre. 55 Prozent gaben dort an, bereits mit dem Smartphone zu zahlen oder zumindest mobil zahlen würden. Im Weg stünden nur Bedenken wegen der Sicherheit und des Datenschutzes; auch der fragmentierte Markt spielt eine Rolle. Das sind alles Themen, die durch PSD2 angegangen werden sollen. Das heißt, es könnte durchaus passieren, dass sich Mobile Payment in Deutschland doch noch durchsetzt.
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