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Erlebt die gute alte Stechuhr zur Zeiterfassung ein Comeback? Wenn es nach dem neuen Urteil des Bundesarbeitsgerichts geht, vermutlich schon.
Umbruch im Arbeitsrecht: Wir berichteten bereits im Sommer 2019 über das Urteil des Europäischen Gerichtshof zur Arbeitszeiterfassung. Dieses verpflichtete Arbeitgeber der EU-Mitgliedsstaaten dazu, ein System zur Arbeitszeiterfassung einzuführen. Bis dato wurde dies in Deutschland allerdings nicht umgesetzt – es gab augenscheinlich kein Gesetz dazu – dies widerlegte jedoch jüngst das Bundesarbeitsgericht.
Wir erläutern, welche Auswirkungen das neue Urteil nun auf Arbeitgeber hat, welche Vor- und Nachteile die Zeiterfassung bietet und wie Sie diese in Ihrem Unternehmen praktisch umsetzen.
Ein Betriebsrat wollte bei einer Einigungsstelle eine Einführung der Arbeitszeiterfassung erzwingen. Der Arbeitgeber hat in diesem Fall zwar gewonnen, wusste aber wohl nicht, was für weitreichende Folgen dieses Urteil für Arbeitgeber in ganz Deutschland haben wird.
Schließlich hat ein Betriebsrat in Deutschland nur dann ein Initiativrecht, wenn es zum beurteilten Sachverhalt kein klares Gesetz gibt. Der Annahme, dass es kein Gesetz zur Arbeitszeiterfassung gibt, sind bisher zahlreiche Juristen in Deutschland nachgegangen. Doch nun kommt das Bundesarbeitsgericht zu Wort.
Laut einer Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts vom 13.09.2022 heißt es: „Der Arbeitgeber ist nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG verpflichtet, ein System einzuführen, mit dem die von den Arbeitnehmern geleistete Arbeitszeit erfasst werden kann.“
Dies weist darauf hin, dass es laut dem zitierten Paragrafen sehr wohl eine Pflicht für Arbeitgeber gibt, eine Zeiterfassung im Unternehmen zu etablieren – und zwar unabhängig von Unternehmensgröße oder Jahresumsatz. Diese Regelung gilt für jeden Arbeitgeber in Deutschland.
Unternehmen, die die Arbeitszeiten ihrer Belegschaft bereits erfassen, haben vorerst keinen Handlungsbedarf.
Gilt in Ihrem Unternehmen jedoch noch die Vertrauensarbeitszeit und haben Sie keinen Überblick über die tägliche Arbeitszeit ihrer Mitarbeiter, sollten Sie schleunigst handeln.
Wie die Zeiterfassung nun in der Praxis aussehen soll, ist laut vielen Juristen noch unklar. Möglichkeiten gibt es theoretisch jedoch viele:
Stechuhr: Viele kennen die klassische Stech- oder Stempeluhr. Jetzt könnte sie ein Comeback erfahren, indem Mitarbeiter jeden morgen am Unternehmenseingang einstechen und nach Feierabend wieder ausstechen.
Software: Der Markt für Zeiterfassungssoftware boomt. Es gibt zahlreiche Anbieter, die eine digitale Lösung zur Erfassung der Arbeitszeit am PC oder per App bereitstellen.
Mitarbeiter-App: Hat ihr Unternehmen bereits eine Mitarbeiter-App, liegt es nahe, hier auch die Arbeitszeit zu dokumentieren.
Microsoft-Teams: Es muss nicht immer ein extra Tool sein, um die Arbeitszeit zu erfassen. Auch über Microsoft Teams, das heutzutage bereits im Großteil der Unternehmen eingesetzt wird, kann eine Zeiterfassung stattfinden. Sie können Stempelzeiten exportieren und optional auch über die Standortbestimmung checken, ob Mitarbeiter am vorgesehenen Ort eingetroffen sind. Büro-Kaizen digital hat die Aktivierung der Arbeitszeiterfassung einfach erklärt.
Eigenverantwortung: Eine einfache Möglichkeit wäre, dass Arbeitnehmer ihre Arbeitszeiten eigenverantwortlich erfassen, zum Beispiel in einer Excel-Tabelle. In regelmäßigen Abständen werden diese dann an die Vorgesetzten übergeben. Eine Kontrolle seitens der Arbeitgeber ist hier jedoch nicht möglich, sie müssen ihren Mitarbeitenden vertrauen.
Trotz des scheinbar verpflichtenden Urteils lohnt es sich, einen Blick auf die Vor- und Nachteile der Arbeitszeiterfassung zu werfen.
Rechtssicherheit: Im Falle eines Rechtsstreits mit Arbeitnehmern können Arbeitgeber auf die dokumentierte Arbeitszeit zurückgreifen und so ihre Position stärken – aber Achtung: Im Gegenzug gilt dies natürlich auch für Arbeitnehmer.
Flexibilität: Mitarbeiter haben nun die Sicherheit, dass ihre Arbeitszeit dokumentiert wird. Haben sie beispielweise einen Arzttermin und müssen früher gehen, können sie auf die zuvor geleisteten Überstunden verweisen und den verfrühten Feierabend rechtfertigen.
Motivation: Diese gewonnene Flexibilität führt zu einer erhöhten Mitarbeitermotivation.
Fairness: Natürlich gibt es in jedem Unternehmen Mitarbeiter, die es mit der Arbeitszeit nicht so genau nehmen. Dies ist gegenüber pflichtbewussten Mitarbeitern unfair und kann zu Unmut im Team führen. Mit der Zeiterfassung gehört dies der Vergangenheit an.
Kosten: Investitionen in Zeiterfassungssoftware oder eine Stechuhr sind zunächst mit Kosten verbunden. Hierbei ist zu beachten, ob es sich um einmalige Anschaffungskosten handelt oder ob auch Lizenzkosten hinzukommen. Diese richten sich oft danach, wie viele Mitarbeiter ein Unternehmen hat.
Bürokratischer Aufwand: Auch wenn die Erfassung der Arbeitszeit digital erfolgt, muss diese in der Personalabteilung nachgehalten werden. Dies ist mit einem bürokratischen und personellen Aufwand verbunden und kann womöglich auch zu höheren Personalkosten führen.
Datenschutz: Auch bei der Zeiterfassung ist der Datenschutz ein wichtiger Aspekt. Bei der Einführung sollte in jedem Fall ein Datenschutzbeauftragter zu Rate gezogen werden, um sich als Unternehmen im Nachhinein nicht angreifbar zu machen. Unser Tipp: Verwenden Sie die erhobenen Daten ausschließlich zur Zeiterfassung und etwa nicht zum Vergleich der Leistung zweier Mitarbeiter.
Homeoffice: Die große Frage „Wie erfassen wir die Arbeitszeit im Homeoffice?“ steht vielerorts im Raum. Ist keine digitale Lösung im Unternehmen etabliert, bleibt nur das Vertrauen auf die Eigenverantwortung der Mitarbeiter.
Fokusänderung: Anstatt sich nun auf die Leistung der Belegschaft zu konzentrieren, könnte womöglich nur die schwarz auf weiß erfasste Arbeitszeit im Vordergrund stehen. Erfüllt jeder Mitarbeiter seine vorgeschriebene Arbeitszeit laut Zeiterfassung?Nur weil ein Mitarbeiter acht Stunden im Büro anwesend ist, heißt es schließlich noch lange nicht, dass er auch produktiv arbeitet.
Eine einheitliche Zeiterfassung bietet auch für Arbeitnehmer einige Vorteile. Demnach ist vermutlichen einem Großteil der Arbeitnehmer daran gelegen, ihre geleistete Arbeitszeit zu erfassen. Kommt der Arbeitgeber dem Urteil nicht nach und vertröstet seine Arbeitnehmer, können diese auch Möglichkeiten ergreifen, um eine Zeiterfassung am Arbeitsplatz durchzusetzen.
So können Sie sich beispielsweise an den Betriebsrat oder die Arbeitsschutzbehörde wenden und den Verstoß gegenüber dem Arbeitgeber geltend machen – hier hat der Arbeitgeber hohe Bußgeldstrafen zu befürchten.
Neue Arbeitsmodelle sollen nicht nur Mitarbeiter motivieren und glücklich machen – sie sollen auch zeitgemäß sein und sich an die veränderten Bedürfnisse anpassen. Wie kann das aussehen? Lassen Sie sich von den Erfahrungen einiger Vorreiter wie DB Systel inspirieren, um herauszufinden, welches Modell auch in Ihrem Unternehmen einsetzbar ist.
Isabella Beyer ist Content Marketing Managerin bei Management Circle. Mit ihrer Leidenschaft für kreatives Schreiben ist sie für die Erstellung von hochwertigem Content für Fach- und Führungskräfte in Text- und Videoform zuständig und hat bereits zahlreiche Marketingkampagnen erfolgreich umgesetzt.
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