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Warum spielen Menschen Lotto, obwohl die meisten wissen, dass die Chance auf sechs Richtige geringer ist, als von einem Blitz getroffen zu werden? Warum fürchten wir uns mehr vor einem Flugzeugabsturz, wenn doch die Wahrscheinlichkeit eines Autounfalls sehr viel höher ist? Tatjana Schulz über die äußeren Einflüsse auf unsere Risikoeinschätzung und wie Sie eine Risikokultur als Kultur der Risikokompetenz schaffen.
Risikobehaftete Situationen begegnen uns alltäglich. Dennoch sind sie oft derart komplex, dass uns eine vollständig bewusste und systematische Risikoanalyse unmöglich ist. Statt also Risiken vollständig abzuschätzen und entsprechend zu entscheiden, hat unser Gehirn unbewusst ablaufende Mechanismen zur Komplexitätsreduktion entwickelt. Diese erlauben eine schnelle Entscheidungsfindung, führen aber nicht selten zu systematischen Fehlern. Die psychologische Risikoforschung untersucht individuelle Unterschiede in der Wahrnehmung und Beurteilung von Risiken, analysiert Merkmale, die hierauf Einfluss nehmen und bietet Lösungsansätze, die systematische Fehler erkennen und vermeiden lassen, um so Risikokompetenz zu erwerben.
Risikokompetenz wiederum ist Grundvoraussetzung einer guten Risikokultur. Erkenntnisse aus der psychologischen Risikoforschung sind daher nicht nur für Einzelpersonen interessant, sondern auch für Unternehmen.
„Risiko“ wird oft mit Begriffen wie Gefahr oder Unsicherheit gleichgesetzt. Hier existiert allerdings ein wichtiger Unterschied. In Risikosituationen kann ein bestimmtes Verhalten zu negativen, aber auch zu positiven Konsequenzen führen, die Eintrittswahrscheinlichkeit solcher Konsequenzen ist bekannt. Da letzteres oft nicht der Fall ist, sind wir zumeist mit unsicheren Situationen konfrontiert, in denen viele Variable unbekannt sind und daher selbst die komplexesten statistischen Risikomodelle Fehler produzieren.
Zum Erwerb von Risikokompetenz muss beachtet werden, dass:
Risiko nicht gleichbedeutend mit Gefahr oder Schaden ist.
Ohne Risikobereitschaft gäbe es keine Innovation.
Unbewusst ablaufende Mechanismen zu systematischen Verzerrungen bei der Risikobewertung und -analyse führen.
In unsicheren Situationen Fehler gemacht werden.
Hier ist der richtige Umgang mit Fehlern entscheidend.
Das menschliche Gehirn hat Mechanismen zur Komplexitätsreduktion entwickelt, um schnelle Entscheidungen fällen zu können:
Urteile werden oft anhand vereinfachter „Daumenregeln“, sog. Urteilsheuristiken, gefällt. Beispielsweise führt die Verfügbarkeitsheuristik dazu, dass wir den Eintritt von Ereignissen, an die wir uns leichter erinnern, als wahrscheinlicher einschätzen. Natürlich führt diese Heuristik nur dann zu einem korrekten Ergebnis, wenn unsere Erinnerung von der tatsächlichen Eintrittswahrscheinlichkeit gesteuert wird. Einseitige Risikokommunikation verfälscht unsere Risikoeinschätzungen.
Die sog. Affektheuristik veranlasst uns dazu, objektive Faktoren zugunsten emotionaler Empfindungen zu ignorieren: Es wird auf Basis der momentanen Emotion entschieden. Emotionen können zwar Informationen liefern, aber auch durch andere Quellen erzeugt worden sein.
Ebenso subjektiv ist der Effekt, auf einen Zugewinn an Sicherheit mit risikoreicherem Verhalten zu reagieren (Risikohomöostase). So tendieren bspw. junge Fahrer*innen nach Absolvieren eines Fahrsicherheitstrainings zu risikoreicherem Fahrverhalten.
Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass das Risikoverhalten einer Person zwar durch deren Persönlichkeit determiniert, aber noch viel stärker von sozialer Interaktion beeinflusst wird. Der Einflussnahme durch andere liegen psychologische Mechanismen zugrunde, die uns vor Gefahr schützen sollen, bei Gruppenentscheidungen aber dazu führen können, ein unvorteilhaftes Ergebnis zu erzielen. Dies ist besonders häufig bei homogenen Gruppen mit starkem Konsensstreben zu beobachten und wird verstärkt, wenn Gruppenmitglieder von anderen Informationsquellen isoliert sind. Während des Entscheidungsprozesses werden Informationen, die die eigene, favorisierte Entscheidungsalternative unterstützen, aufgewertet und inkonsistente Informationen ignoriert. In der Folge bringen Gruppenmitglieder mit Vorbehalten diese nicht zum Ausdruck, und somit basiert die Gruppenentscheidung auf einseitig vorgebrachten Argumenten.
Menschen entscheiden und handeln nicht so rational, wie es das Menschenbild des „Homo Oeconomicus“ postuliert.
Mentale Strategien und psychologische Mechanismen können oft zu Verzerrungen führen. Doch bereits das Wissen um sie führt dazu, dass wir ihnen nicht schutzlos ausgeliefert sind und ist ein erster Schritt auf dem Weg zur Risikokompetenz. In Unternehmen lässt sich Risikokompetenz noch weiter fördern.
Risiken lassen sich nicht immer vermeiden. Da sie oft Chancen beinhalten, kann die unbedingte Vermeidung von Risiken sogar nachteilig sein: Ohne Risiko würden keine neuen Produkte entwickelt, keine neuen Märkte erschlossen.
Eine gute Risikokultur schafft das Bewusstsein für kognitive Verzerrungen und erzeugt ein Umfeld – zum Beispiel durch transparente Risikokommunikation, regelmäßige Risikoschulungen, mehr Diversität in Gruppen – in denen diese klein gehalten werden. Ebenso berücksichtigt sie die Tatsache, dass Fehler gemacht werden. Sie setzt Anreize zur offenen Fehlerkommunikation und nutzt Fehler, um aus ihnen zu lernen und neue Chancen zu entdecken.
Die meisten Entscheidungen werden in unsicheren Situationen getroffen, in denen nicht alle Informationen verfügbar sind. Eine gute Risikokultur muss daher die Risikokompetenz aller Mitarbeiter*innen fördern, was zu guten Entscheidungen führen wird.
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