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Die Digitalisierung hat weitreichende Konsequenzen für die Montage der Zukunft, das weiß insbesondere Dipl.-Ing. Petra Foith-Förster vom Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung. In diesem Interview hat uns die Expertin einen Überblick gegeben, was sich in der Montage kurz- und mittelfristig geändert hat und wie sich die Herausforderungen in Zukunft meistern lassen. Erfahren Sie, welche Rolle Sensorik und Robotik spielen und welche Aufgaben für den Mensch in der Montage der Zukunft eine Rolle spielen werden.
Frau Foith-Förster, im Rahmen Ihrer Arbeit beim Fraunhofer-Institut haben Sie einen Einblick aus erster Hand in die Zukunftsthemen, die in der Montage von morgen eine Rolle spielen werden. Welche Trends erwarten uns mittel- und langfristig?
Die Fortschritte von Digitalisierung und Industrie 4.0 machen natürlich auch vor der Montage nicht halt. Produktionssysteme entwickeln sich hin zu kognitiven Systemen, die aus digitalen Informationen mit Hilfe von lernenden Algorithmen Schlussfolgerungen, Entscheidungen und Handlungen ableiten.
Vor allem in manuell geprägten Montagen sind jedoch Daten dafür aktuell häufig noch nicht in ausreichender Qualität vorhanden. Kurz- bis mittelfristig ist also von einem vermehrten Sensoreinsatz in Montagesystemen auszugehen, um diese Lücke zu schließen. Mittel- bis langfristig werden Machine Learning-Algorithmen den Menschen in operativen Prozessen und in der Optimierung der Systeme unterstützen. Und dies ändert dann auch ganz grundlegend die Art und Weise, wie wir als Menschen mit technischen Systemen kommunizieren und interagieren. Beispiele, wie Sprach- und Gestensteuerung, Augmented Reality und die schutzzaunlose Zusammenarbeit mit Leichtbaurobotern sind bereits heute als ersten Anwendungen im Einsatz.
Was sind die Herausforderungen, die Unternehmen heute zu bewältigen haben und was braucht es, um hierbei wettbewerbsfähig zu bleiben?
Produktion findet heute in einem sehr volatilen Umfeld statt. Da sind zum einen die hohe Anzahl an Varianten, die ein Montagesystem wirtschaftlich produzieren können soll. Zum zweiten kann statistisch nachgewiesen werden, dass Abstände zwischen Krisen kürzer werden. Es ist also wichtig, Montagesysteme skalierbar in unterschiedlichen Stückzahlbereichen betreiben zu können. Zudem erschweren Unsicherheiten, wie zum Beispiel die unklaren Entwicklungen der Antriebstechnik im Automobilbereich, und unvorhersehbarer politische Rahmenbedingungen, wie beispielsweise politische Vorgaben zum Klimaschutz oder auch internationale Handelsstreits, eine Prognose über zukünftige Geschäftsbedingungen.
Heutige Montagesysteme sind meistens nicht so gut auf diese Schwankungen vorbereitet. Eine hohe Variantenvielfalt und schwankende Stückzahlen können mit schlanken Produktionslinien nur schlecht abgebildet werden. Einzelplatzmontagen sind flexibler, aber leider in der Regel sehr viel unwirtschaftlicher als eine abgetaktete Linie.
Wir verfolgen in der Forschung seit einigen Jahren den Ansatz modularer Montagesysteme, in denen frei verkettete Montagestationen in einer Matrix angeordnet sind und von verschiedensten Varianten genutzt werden. Man nennt das dann Matrixmontage. In der höchsten Ausbaustufe ist der Materialfluss zwischen den Stationen durch fahrerlose Transportsysteme realisiert. In Industrieprojekten haben wir solche Systeme aber auch schon mit manueller Logistik umgesetzt. Die Matrixmontage hat den Charme, dass ein Montagesystem von vielen verschiedenen Varianten genutzt wird, und sich Schwankungen damit besser ausgleichen können. Neue Varianten und neue Technologien können aufgrund der freien Verkettung der Stationen zudem einfacher integriert werden.
Für welche Unternehmen sind Konzepte, wie KI, AR und Robotics relevant? Sollte sich jedes Unternehmen darüber informieren?
Es gibt jedenfalls keinen Grund, warum sich KMU nicht mit den Themen auseinandersetzen sollten. Gerade im Bereich KI und in der flexiblen Automatisierung macht die Entwicklung riesige Sprünge, die den Einsatz solcher Systeme auch bei hoher Varianz und kleinen Stückzahlen wirtschaftlich macht. Die Schwierigkeiten liegen im Moment eher im Bereich des fehlenden Know-Hows. Gerade für KMU gibt es jedoch wahnsinnig viele Fördermöglichkeiten der öffentlichen Hand, die eine Partizipation bei genau diesen Innovationsthemen ermöglichen möchte.
Welche Rolle spielt der Mensch in der Montage der Zukunft?
Ich bin mir sehr sicher, dass Montage auch in der Zukunft nicht ohne Menschen stattfinden wird. Klar nimmt der Automatisierungsgrad zu. Aber die Vielseitigkeit der Prozesse in der Montage macht eine Vollautomatisierung zumindest sehr schwierig. Die Aufgaben der Menschen werden sich jedoch ändern. Wo heute operatives Handwerk im Fokus steht, wird in der Zukunft wohl eher die Kreativität und Beurteilungsfähigkeit des Menschen gefragt sein. Die Entwicklung ist in der Forschung bereits sichtbar: Im so genannten informed machine learning wird zum Beispiel Expertenwissen in den Trainingsprozess lernender Algorithmen integriert, um die Anwendung mit weniger Daten zu ermöglichen und die Nachvollziehbarkeit und Verlässlichkeit von Ergebnissen zu verbessern. Im Grunde geht es bei vielen Entwicklungen, sei es KI, flexibler Automatisierung oder digitalen Assistenzsystemen häufig darum, Maschine und Mensch jeweils die Aufgabe zuzuweisen, die der jeweilige Partner besser kann.
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