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Wissen Sie eigentlich, seit wann es Handelsmarken bereits gibt? Was der erste Anstoß zu dieser aktuell nicht mehr wegzudenkenden Strategie im deutschen Handel war? Und wie sich die Geschichte der Handelsmarken von den Anfängen bis heute entwickelt hat? Nein?
Dann freuen Sie sich auf diesen Artikel, in dem wir gezielt in die vergangenen Jahre, Jahrzehnte ja sogar Jahrhunderte der Handelsmarken eintauchen und die spannendsten Erkenntnisse für Sie zusammenstellen – damit Sie einen kompakten Überblick sowie neue Impulse in Sachen Chancen und Risiken für Ihre Eigenmarken erhalten.
Nimmt man sich das Buch „Status quo und Entwicklungspotentiale von Handelsmarken“ Alla Malkis vor, wird schnell klar, dass Handelsmarken schon viel früher in den Regalen auftauchten, als man vielleicht denkt. Denn die Geschichte der Handelsmarken beginnt laut Malkis bereits im frühen Mittelalter! Anfang des 13. Jahrhunderts seien demnach erstmals die sogenannten Haus- und Hofmarken als Vorläufer der Handelsmarken aufgetaucht. Diese kennzeichneten damals das Eigentum und die Gerätschaften von Künstlern, der Stadtbevölkerung oder von Adeligen.
Später gingen daraus erste Marken in Produktkategorien hervor. So sind bereits im 17. Jahrhundert Anzeigen für Handelsmarken in den Bereichen Tee und Kaffee aus Zeitungen bekannt. Die Great Atlantic & Pacific Tea Company warb zudem ab 1869 mit Zeitungsannoncen für eine eigene Teehandelsmarke, ab 1878 auch für Kaffee.
Diese Markierung von Produkten und Eigentum erfüllte schon damals einen traditionellen Zweck, der Marken noch heute zugeschrieben wird: Eine Zuordnung zu einer Person oder Entität, welche diese Produkte verkauft und die Rechte daran besitzt.
Auch im Lebensmittelhandel gab es schon lange vor dem großen Boom der Handelsmarken erste Ausflüge in diesen Bereich. So ließ sich Edeka bereits 1911 seinen bis heute gültigen Firmen- und Markennamen eintragen – das Edeka-Siegel kennzeichnet seitdem die Eigenmarken des Händlers. Die ersten kamen Anfang der 30er Jahre auf den Markt, wurden aber bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs unterbrochen. 1948 führte dann auch REWE seine ersten Eigenmarken ins Feld. Zu diesem Zeitpunkt konnten Markenhersteller wie Persil oder Jacobs bereits auf die Möglichkeiten der Massenfertigung zurückgreifen, sodass das Konzept der Marke stark an Bedeutung gewann und bis heute bekannte Top-Marken daraus entstanden: Kellogg’s, Coca-Cola, Henkel und Co.
Das war natürlich auch für Handelsmarken ein echter Anreiz. Einen echten Boom erlebten die Handelsmarken dann aber mit Beginn der 1970er Jahre.
Im Vorlauf der 1970er Jahre kam es zu Entwicklungen, die den Handel in Deutschland bis heute veränderten: 1962 machte in Dortmund der erste ALDI-Discounter auf. 1973 bekamen die Brüder Albrecht dann Konkurrenz durch die ersten Lidl-Filialen. Mit ihren günstigen No-Name-Produkten, die völlig ohne Werbung und mit schlichten Verpackungen auskamen, erreichten die Produkte der Discounter schnell die Art von Verbreitung, die bisher bekannten Markenartikeln vorbehalten waren – und das, obwohl Markenartikel damals einen Vorsprung von bis zu hundert Jahren hatten. Das Konzept der Discounter sah es vor, durch den Verzicht auf die üblichen Werbemaßnahmen qualitativ annehmbare Waren so günstig wie möglich an den Kunden zu bringen. Lange Zeit bestand daher nahezu das gesamte ALDI-Sortiment aus Handelsmarken.
Damit zeigte sich in den 70ern erstmals die Machtposition eines Händlers als Absatzkanal. Durch die starke Konzentration im Einzelhandel hat sich dieser Trend bis heute weiter verschärft. Die günstigen Handelsmarken waren für ALDI eine Möglichkeit, sich vom Rest der Branche zu differenzieren. Und diese Differenzierung ist für Händler aus allen Branchen heute einer der wichtigen Gründe zur Einführung von Handelsmarken.
Natürlich musste der klassische Lebensmitteleinzelhandel (LEH) auf diese Entwicklung reagieren. Die Discounter kosteten die Supermärkte bis in die 80er Jahre hinein jede Menge Kunden. Deshalb ging REWE als erste Kette dazu über, unter dem Label Ja! Eigenmarken-Produkte im großen Stil anzubieten. Seit 1982 standen zunächst 28 Produkte unter diesem Schriftzug in den Regalen. Doch heute findet man auf der Website des Händlers weit über 500. Händler wie Edeka, Real oder Tengelmann zogen mit Ihren Handelsmarken GUT&GÜNSTIG, TiP oder A&P nach. Der Marktanteil der Handelsmarken, der 1973 noch bei ungefähr 12 Prozent lag, wuchs bis heute stetig und liegt in Deutschland mittlerweile bei 35 Prozent.
Die Botschaft auf den Websites dieser Marken ist bis heute: Qualität zum Discountpreis. Unter dieser Devise werden bis heute die Discounter mit dem Versprechen angegriffen, dass man im Supermarkt sowohl Top-Marken als auch günstige Produkte mit denselben Vorzügen bekommen kann. Ein positiver Nebeneffekt dabei: Auch der Preispolitik der Markenhersteller konnte nun durch den Handel etwas entgegengesetzt werden.
Eine genaue zeitliche Abgrenzung ist in der Geschichte der Handelsmarken schwer möglich, da sich nicht alle Marken gleichförmig entwickelten. Muster sind aber dennoch erkennbar. Nachdem die Handelsmarken längere Zeit mit dem Versprechen „gut und günstig“ – wie die gleichnamige EDEKA Eigenmarke – vermarktet wurden, setzten sie sich langsam auch in den Köpfen der Menschen fest. Teilweise haben sie bis heute dieses Image, wenn man den Bekanntheitsgrad von Marken wie „Ja!“ betrachtet. 2009 war diese Handelsmarke bei 92 Prozent der Konsumenten bekannt, „GUT&GÜNSTIG“ kannten immerhin 82 und „Real Quality“ 77 Prozent. Zudem messen die Kunden diesen Marken tatsächlich auch eine sehr hohe Qualität bei.
An Namen wie „Real Quality“ sieht man, in welche Richtung sich Handelsmarken entwickelten: Die Handelskette Real nutzte seine Dachmarke, um Produkte zu verkaufen. Diese Strategien zur Positionierung konnten verstärkt beobachtet werden, nachdem die Händler bemerkten, dass:
Eigenmarken ein starkes Alleinstellungsmerkmal für ihre Sortimente darstellen und
Händler ihre Eigenmarken durch eine vorteilhafte Positionierung in den Regalen auch bei ihren Kunden verankern konnten.
Die Erkenntnis daraus: Handelsmarken lassen sich genau wie große Marken ebenfalls mit einem klaren Image in der Öffentlichkeit verankern. Und das inspirierte zu neuen Strategien! Aus diesem Grund entwickelten sich diverse Strategien für die Vermarktung von Handelsmarken. So wurden diese zum Beispiel in weitere Preiskategorien eingeführt, griffen im mittleren und im Premium-Segment die Preispolitik und Positionierung von Markenherstellern auf. Auch Trendsegmente wie Bio oder Regionalität wurden aufgegriffen und führten zu neuen Differenzierungsstrategien – teilweise da, wo von Herstellerseite keine Produktinnovationen oder Impulse bei der Preispolitik kamen.
Durch die stärkere Verbreitung erfuhren die Handelsmarken in Ländern wie Deutschland ein stetiges Wachstum. Deutschland ist derzeit international das Land, in dem Handelsmarken die viertstärksten Marktanteile einnehmen. Dabei wird die Geschichte der Handelsmarken nicht nur im LEH geschrieben, auch wenn dieser immer unter besonders starker Beobachtung stand. Handelsmarken entwickelten sich in so gut wie allen Branchen zu einer beliebten Handelsstrategie.
In der Möbelbranche sind sie zum Beispiel sehr dominant und überschatten teilweise die „echten“ Marken. In Baumärkten und Drogerien stellen sie einen wichtigen Teil des Sortiments. Dm-drogerie markt entwickelt Eigenmarken wie Balea mittlerweile auf einem Niveau, das dem Image einer Marke gleichkommt. Auch toom Baumarkt bietet über die hauseigene „Qualitätseigenmarke“, die unter der Dachmarke gespielt wird, ein Sortiment von über 7000 Artikeln an. In der Unterhaltungs- und Hauselektronik, in der Modebranche sowie im E-Commerce spielen Handelsmarken selbst bei Riesen wie Amazon und Zalando eine Rolle.
Handelsmarken sind mittlerweile in allen Branchen zu finden und gehören zur Strategie jedes Händlers. Doch bietet das nicht nur Vorteile, wie die Entwicklung der letzten Jahre gezeigt hat.
Das starke Wachstum der Handelsmarken in jeder Branche brachte sicher Vorteile mit sich – insbesondere für den Handel. Doch heute deutet sich an, dass diese womöglich nur mittelfristiger Natur sein könnten. In den Regalen der Händler, die auch wichtige Absatzkanäle für die Markenhersteller sind, entsteht Druck: Die Eigenmarken des Handels blockieren Platz und nehmen besonders den Mitte-Marken wichtige Marktanteile weg. Das spannt die Kooperation zwischen Händlern und Herstellern an, die doch aufeinander angewiesen sind. Gerade die Top-Marken sind es, die auf den Kunden eine Anziehungskraft ausüben. Wer sich etwas Besonderes gönnen möchte, greift zu den Produkten mit dem guten Image, für die Lieblingsschokolade fährt man schon mal zum weiter entfernten Supermarkt.
Durch den Druck auf das Regal, aber auch durch die Markenlistungen von Discounter ALDI, der Top-Marken regelmäßig zu extrem günstigen Preisen anbietet, entstand im LEH bereits ein Preiskampf, der auf ein Missverhältnis hindeutet, dass bei einer zu starken Konzentration auf Handelsmarken entstehen könnte. Wenn der Handel kein guter Absatzkanal mehr für Top-Marken ist, können deren Hersteller dazu übergehen, ihre Produkte selbst zum Kunden zu bringen. Bekannte Marken wie Apple oder Nike machen es vor, über Flagship-Stores und eigene Online-Shops. Aber auch in weniger glamourösen Branchen ist das ein praktikables Konzept: So unterhält beispielsweise der Material- und Werkzeughersteller Würth 430 eigene Standorte in Deutschland, die er noch ausbauen möchte.
Wohin das im Extremfall führen könnte, möchte man sich nicht ausmalen. Oder können Sie sich Supermärkte vorstellen, in denen es die wichtigsten Marken vielleicht nur noch sporadisch gibt, weil Markenhersteller dazu übergehen, selbst zu verkaufen?
Es bleibt spannend!
Daher beobachten wir in den nächsten Jahren insbesondere diese Aspekte ganz besonders genau:
Mit welchen Strategien kann der Handel es schaffen, seine Eigenmarken so zu positionieren, dass sie Image und Marktstrategie perfekt unterstützen?
Wie ist das möglich, ohne das Verhältnis zu den Markenherstellern zu gefährden, um sich auch für eine langfristige, friedliche Kooperation aufzustellen?
Wie können aus Eigenmarken vertrauenswürdige Lieblingsmarken für Verbraucher werden?
Wie finden Eigenmarken Ihren Platz auch in völlig neu gestaltete Sortimente und Verkaufslandschaften?
Und wie sehen vor den neusten Trends und Kundenanforderungen auch nachhaltige Lösungen und digitale Strategien für den Handel der Zukunft aus?
Diese und weitere Fragen diskutieren wir jedes Jahr auf unserem Branchentreff von Industrie und Handel. Wir laden Sie daher herzlich ein, sich auf dem Handelsmarken Forum über die aktuellen Trends und Entwicklungen in Sachen Eigen- und Herstellermarken zu informieren und mitzudiskutieren!
2020 trafen sich zum 5. Mal Vertreter aus Industrie und Handel, um aktuelle Trends im Private-Label-Segment zu diskutieren und sich auf zukünftige Herausforderungen für den Handel vorzubereiten. Neben Rossmann, IKEA oder Nestlé kamen auch Startups sowie die Bereiche Baumarkt oder Pharma zu Wort. Die wichtigsten Erkenntnisse haben wir für Sie zusammengefasst!
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