Das deutsche Lieferkettengesetz – nur eine Strategie gegen das schlechte Gewissen?

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14. Juni 2021
Handel
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Das „Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten“ soll mehr Fairness und Schutz der Menschenrechte in globalen Lieferketten schaffen. Wird dieses Ziel erreicht oder ist der jetzige Gesetzentwurf eher ein völlig verwässerter Kompromiss? Während der Gesetzentwurf NGOs und diversen Initiativen nicht weit genug geht, sehen Wirtschaftsverbände und zahlreiche Unternehmen darin eine unzumutbare Belastung für deutsche Unternehmen im internationalen Wettbewerb. Wer hat nun Recht? Bettina Roth, Leitung von QM und CSR Lieferkette bei der VAUDE SPORT GmbH & Co. KG, analysiert in diesem Beitrag die Regelungen des neuen deutschen Lieferkettengesetzes und ordnet für Sie dessen Anwendungsbereiche genauer ein.

Expertin Bettina Roth

Bettina Roth

Leitung QM und CSR Lieferkette | VAUDE Sport GmbH & Co. KG

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Eine kurze Einordnung – was regelt das deutsche Lieferkettengesetz und wer ist betroffen?

Laut Gesetzentwurf soll das neue deutsche Lieferkettengesetz ab Januar 2023 für Unternehmen mit mehr als 3.000 Beschäftigten, ab 2024 für Unternehmen mit mindestens 1.000 Mitarbeitern gelten.

99,5 Prozent aller Unternehmen in Deutschland sind jedoch sogenannte kleine mittelständische Unternehmen. Das bedeutet: Die Mehrheit der deutschen Unternehmen wird von diesem Gesetz nicht betroffen sein. Das gilt ebenso für die Textilindustrie und im Outdoorbereich gilt das Gesetz auch nach 2024 für keine einzige Firma. Zur Einordung: Wir bei VAUDE haben etwas mehr als 550 Beschäftigte. Tatsächlich betrifft der jetzige Entwurf nur circa 600 deutsche Unternehmen.

Das Gesetz bezieht sich derzeit außerdem sehr stark auf soziale Aspekte. Diese sind zwar wichtig, aber gerade unsere Branche, die Textilindustrie, gilt als eine der umweltschädlichsten Industrien weltweit, daher sollte das Gesetz auch die Einhaltung von Umweltstandards umfassen. Bislang werden Umweltaspekte allerdings nur berücksichtigt, wenn sie einen direkten menschenrechtlichen Bezug haben, zum Beispiel die Verschmutzung von Trinkwasser.

Der europäische Gesetzentwurf des Lieferkettengesetzes soll hingegen die ökologischen Aspekte wesentlich stärker mit einbeziehen als das deutsche Lieferkettengesetz. Wir sind schon sehr gespannt.

Die Haftung – wer haftet wofür und warum birgt das bislang ungenutztes Potenzial?

In den aktuell laufenden Diskussionen rund um das deutsche Lieferkettengesetz wird sich überwiegend mit der Frage der Haftung beschäftigt. Was umfasst also diese Haftung?

Deutsche Unternehmen sollen verantwortlich sein, wenn Zulieferer Menschenrechte missachten. Soll das Gesetz eine Wirkung erreichen, benötigt es hier klare Vorgaben, die einzuhalten sind und Sanktionen, wenn dem nicht so ist. Eigentlich sollte es grundsätzlich selbstverständlich sein, dass ein Unternehmer die Verantwortung für sein unternehmerisches Tun übernimmt. Und dies eben nicht nur in Deutschland, sondern auch in den Produktionen und den Herstellungsprozessen dort, wo die meisten Auswirkungen für Mensch und Natur entstehen – in der tieferen Lieferkette.

Es wird derzeit leider viel zu wenig über die daraus entstehenden Potenziale oder innovative Lösungsansätze geredet. So haben gute Arbeitsbedingungen in den Produktionsländern einen direkten Einfluss auf die Stabilität und Verlässlichkeit der Lieferkette, also auch einen direkten Einfluss auf die Effizienz und Qualität der dort laufenden Prozesse. Die Nutzung neuer, umweltfreundlicher Technologien können also zu einem wichtigen Differenzierungsmerkmal eines Unternehmens werden.

Die Umsetzung – wie integriert VAUDE seine Verantwortung in die eigene Lieferkette?

Wir als VAUDE übernehmen Verantwortung und setzen uns schon seit vielen Jahren mit unserer Lieferkette und deren Auswirkungen auseinander. Daher fordern wir auch bereits seit einigen Jahren ein solches deutsches Lieferkettengesetz.

Zugegeben, dieser Weg ist mühsam, steinig und gespickt von Rückschlägen, aber zusammen mit unseren Partnern haben wir in den letzten Jahren Enormes geleistet und konnten vieles zum Besseren verändern – zum Beispiel:

Der Umstieg auf umweltfreundlichere Substanzen

Die Einführung von ressourcenschonenderen Prozessen

Die Entwicklung völlig neuer Materialien – wie ein auf Holzfaser basierendes Fleece-Material, mit dem wir den Mikroplastikaustrag und die Belastung für Gewässer und Meere reduzieren

Auch die sozialen Aspekte haben wir immer stärker in den Fokus gerückt, indem wir Trainings für das obere und mittlere Management, aber auch für die Mitarbeiter angeboten haben und gemeinsam mit Partnern diverse Projekte – zum Beispiel zur Zahlung existenzsichernder Löhne – initiiert oder den Aufbau eines Beschwerdemechanismus vorangetrieben haben, damit hier anonym Missstände gemeldet werden können und wir als Auftraggeber in die Abstellmaßnahmen mit einbezogen werden.

Wie ist uns das als kleines Familienunternehmen gelungen?

Schritt 1:
Die Definition einer klaren Vision und unseres Verständnisses von unternehmerischer Verantwortung: Welche Konsequenzen hat unser Handeln? Nicht nur monetär, sondern darüber hinaus auch für das System, die Akteure und die Natur.

Schritt 2:
Die Analyse und konsequente Ausrichtung von Prozessen und Verantwortlichkeiten.

Schritt 3:
Der Aufbau von Fachkompetenz im Bereich Umwelt und Soziales.

Schritt 4:
Die Pflege von langjährigen Partnerschaften.

Schritt 5:
Die kontinuierliche Entwicklung der Lieferkette.

Wir haben unter anderem ein umfangreiches Lieferantenmanagement (Vendor Management) aufgebaut, welches sich hauptsächlich mit der nachhaltigen Entwicklung der Lieferkette beschäftigt. Das VAUDE Vendor Management ist ein umfassendes System, mit dem wir unseren Partnern einen Leitfaden bieten und sie über die gesamte Geschäftsbeziehung hinweg unterstützen.

Gerade jetzt in Zeiten der Covid-19-Pandemie sind stabile, verlässliche Partnerschaften in globalen Lieferketten wichtig, um die Lieferfähigkeit und Geschäftsfähigkeit aufrechtzuerhalten.

VAUDE hat lokale Teams als Experten geschult, damit sie unsere Partner bezüglich unserer Nachhaltigkeitskriterien überprüfen können. Dafür haben wir ein Tool entwickelt, das sowohl internationale Standards als auch die lokalen Gesetze abdeckt.

Um unsere Partner weiterzuentwickeln haben wir verschiedene Formate geschaffen, u.a. die VAUDE Vendor Clubs – eine Plattform zum Austausch von Praxisbeispielen, Expertenvorträgen oder Workshops zu verschiedenen Themen. Es geht darum, die Lieferkette in die Lage zu versetzen, unsere Anforderungen und Ziele im ökologischen und sozialen Bereich zu erreichen.

Gemeinsam mit den operativ verantwortlichen Fachleuten der Lieferkette arbeiten wir an Themen wie der Substitution gefährlicher Chemikalien, der Klimaneutralität (Science Based Targets) oder sozialen Themen wie faire Löhne, Arbeitsschutz oder die Stärkung der Arbeitnehmerrechte vor Ort.

Das machen wir seit Jahren freiwillig aus innerer Überzeugung. Das bedeutet, dass wir durch unser Engagement höhere Kosten und Wettbewerbsnachteile gegenüber Unternehmen haben, die dieser Verantwortung nicht nachkommen. Strengere gesetzliche Vorgaben sowie wirksame staatliche Anreizsysteme für betrieblichen Klima- und Umweltschutz können hier für mehr Gerechtigkeit sorgen.

Gesetzliche Rahmenbedingungen tragen maßgeblich dazu bei, dass sich verbindliche Standards etablieren, die von vielen gefordert und umgesetzt werden. Dadurch reduzieren sich die Aufwände bei den Marken und den Lieferanten.

Das Engagement – was sollte das deutsche Lieferkettengesetz zukünftig regeln?

Unserer Erfahrung nach können aus der Übernahme von unternehmerischer Verantwortung völlig neue innovative Lösungen entstehen, die dabei helfen, globale Themen wie den Klimawandel oder Mikroplastik anzugehen und langfristig zu lösen. Dazu braucht es noch viel mehr engagierte Mitstreiter, die sich den Herausforderungen stellen. Als familiengeführtes Unternehmen zeigen wir, dass die Übernahme von Verantwortung nicht an die Unternehmensgröße gekoppelt sein muss und dass wir mit unserer nachhaltigen Ausrichtung krisenfest und wirtschaftlich erfolgreich sind.

Wir sind davon überzeugt, dass dies in den laufenden Diskussionen um das deutsche Lieferkettengesetz einen ebenso hohen Stellenwert einnehmen sollte, wie die Fragen rund um Haftung, Verantwortung und Sanktionen. Mehr zu unserem Engagement können Sie gerne hier nachlesen.

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Rückblick: Handelsmarken Forum 2020

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