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Der Bewerbungsprozess darf heute kein immer gleicher Standard mehr sein, wissen die HR-Experten Michael Eger, Theres Guntram und Lara Zschau. Vielmehr braucht es einen individuellen Ansatz bei der Talent Acquisition – und dabei kann sich die Personalabteilung einiges vom Marketing abschauen. In diesem Beitrag zeigen unsere HR-Experten, warum mehr Cookies im Recruiting wichtig sind und wie Sie Ihren Bewerbungsprozess besser personalisieren.
Wie erging es Ihnen, als Sie sich das letzte Mal beworben haben? Haben Sie diese Zeit positiv in Erinnerung? Oder eher als eine Zeit, in der Sie über zahlreiche standardisierte Stellenanzeigen gelesen oder 20 neue Anschreiben anhand der immer gleichen Vorlage formuliert haben, auf die Sie bis heute keine Rückmeldung erhalten haben? Falls Letzteres auf Sie zutrifft, sind Sie nicht allein, denn mehr als der Hälfte aller Bewerberinnen und Bewerber geht es ähnlich.
Dabei geht es für jede Bewerberin und jeden Bewerber um einen spannenden nächsten Schritt – oder wie man in der HR-Welt sagen würde: Um ein zentrales „Employee Lifecycle Event“. Man begibt sich auf die Suche nach einer neuen beruflichen Herausforderung, ist vielleicht gerade in eine neue Stadt gezogen, hat die Uni beendet und startet ins Berufsleben. An was liegt es, dass wir Bewerbungsphasen oft als etwas Anstrengendes oder gar Lästiges in Erinnerung haben?
Werfen wir einen Blick in heutige Stellenausschreibungen, blickt uns noch häufig derselbe Standard entgegen. Neben einer Beschreibung des Unternehmens als „Marktführer mit attraktiven Karrierechancen“ und „herausfordernden Tätigkeiten“ werden mir „attraktive Vergütungspakete“ und „flexible Arbeitsmodelle“ geboten. Standards, die auf mich als Bewerberin oder Bewerber nicht wirklich zugeschnitten sind.
Dabei ist die Personalisierung heute im Marketing das A und O, um Kundinnen und Kunden von Produkten zu überzeugen. Heutzutage sucht man vergeblich nach einer Website, die sich ohne Bestätigung von Cookies öffnen lässt, um mir später zugeschnittene, personalisierte Werbung anzuzeigen. Zwar ist die Bestätigung der Cookies für uns selbst häufig lästig und vielleicht daher nicht das erste Mittel der Wahl – aber die Methode funktioniert. Kaum ein Online-Video ohne Werbeclip von exakt den Sneakern, nach denen ich gerade noch gesucht habe – sozusagen Personalisierung in Reinform.
Warum ist also im Recruiting das gute alte „One-Size-Fits-All“ so häufig noch der Standard? Um für die Bewerberinnen und Bewerber heute attraktiv und ansprechend zu sein, braucht es vor allem Eines: Ein tiefes Verständnis für die unterschiedlichen Zielgruppen sowie deren Bedürfnisse und daraus abgeleitet einen zielgruppenspezifischen Recruiting-Ansatz – oder eben: Mehr Cookies im Recruiting.
Zunächst empfiehlt es sich, sich ein generelles Bild über die Zielgruppen zu machen, nach denen gesucht wird. Wer sind die Zielgruppen, nach denen wir suchen? Hierbei hilft ein Perspektivwechsel – versetzen Sie sich ruhig einmal in die Lage einer Person dieser Zielgruppe oder kommen Sie beispielsweise direkt mit den Kolleginnen und Kollegen ins Gespräch: Für was interessieren sie sich, nach was suchen sie, was überzeugte sie vom Unternehmen? Darauf aufbauend können Sie die sogenannte Candidate Journey aus der Perspektive genau dieser Zielgruppe durchlaufen und auf Attraktivität und Bewerbererfahrung (im Englischen: Candidate Experience) überprüfen.
Die Candidate Experience kann entlang der Candidate Journey an ganz unterschiedlichen Stellen erlebt werden. Jeder dieser einzelnen Schritte bietet gute Ansatzmöglichkeiten, um den Bewerberinnen und Bewerbern zukünftig möglichst positive Erfahrungen zu bieten.
Der erste Schritt beinhaltet den ersten Berührungspunkt zwischen Bewerberinnen und Bewerbern sowie Unternehmen und legt die Basis für potenziellen weiteren Kontakt. Dieser Kontakt kann sowohl offline als auch online sowie direkt oder indirekt erfolgen. Für jede dieser Kontaktarten gilt für das Unternehmen, authentisch und empathisch aufzutreten und das Interesse auf Seiten der Bewerberinnen und Bewerber zu wecken. Einfache Beispiele können eine persönliche Geschichte eines Mitarbeitenden, ein spannender Auftritt auf einer Jobmesse oder ein auf die Zielgruppe zugeschnittenes Video in den sozialen Medien sein.
Im Anschluss an einen erfolgreichen Erstkontakt erfolgt die aktive Auseinandersetzung seitens der Bewerberinnen und Bewerber mit dem Unternehmen. Dabei stehen vor allem Karrierewebsites und Stellenausschreibungen im Vordergrund. Hier kommen das Verständnis und die Analyse der Zielgruppen wieder ins Spiel. Standardisierte Karrierewebsites oder Stellenanzeigen führen insbesondere für kritische Zielgruppen nicht mehr zum Ziel. Eine Maßnahme ist die Gestaltung einer Microsite. Zusätzlich zur Unternehmenswebsite bietet diese einen Raum, der zum Beispiel speziell für Softwareingenieure gestaltet ist. Hier bietet sich die Möglichkeit, nicht eine generische Liste aller Benefits aufzuführen, die das Unternehmen (aber eben auch fast jedes andere Unternehmen) aufführt, sondern eben genau die Punkte in den Vordergrund zu stellen, die für die Zielgruppe am relevantesten und ansprechendsten sind.
Im nächsten Schritt entscheidet sich die Bewerberin oder der Bewerber aktiv dazu, sich beim Unternehmen zu bewerben und somit gezielt Zeit zu investieren. Diesen Schritt können Unternehmen bestmöglich begleiten, indem sie den Prozess so einfach und für Bewerberinnen und Bewerber so freundlich wie möglich gestalten. Intuitive Bewerberportale und mögliche Hilfestellungen sind hier die Basis, um ein positives Kandidatenerlebnis zu schaffen. Aber auch zeitnahe Rückmeldungen und gleichbleibende Ansprechpartner wirken sich positiv aus.
Dieser Schritt lässt sich auch als Realitätscheck bezeichnen, da die Bewerberinnen und Bewerber nun das Unternehmen auch persönlich kennenlernen. Für das Unternehmen bedeutet dies, den Auswahlprozess so angenehm wie möglich durchzuführen, um auch hier mit positiven Erlebnissen zu überzeugen. Ein Bewerbungsgespräch sollte auf Bewerberinnen und Bewerber nicht wie ein standardisierter Fragenkatalog wirken, sondern das Gefühl von Individualität vermitteln. Denn nicht nur die Bewerberin oder der Bewerber sollte sich vorab mit dem Unternehmen auseinandergesetzt haben, genauso das Unternehmen auch mit der Bewerberin oder dem Bewerber, um Interesse an der Person zu zeigen. Gelebte Authentizität führt in der Regel eher zu einer Zusage.
Ist der Vertrag einmal unterschrieben, startet direkt der nächste Schritt der Candidate Journey: das Onboarding. Ein gut organisierter Onboarding-Prozess ist essenziell, um den Bewerberinnen und Bewerbern einen positiven Start zu ermöglichen und wird häufig in seiner Wirkung unterschätzt. Dabei entscheiden über 80% der Bewerberinnen und Bewerber innerhalb der ersten sechs Monate, ob sie im Unternehmen bleiben möchten oder nicht. Daher ist auch hier die Unterscheidung in zielgruppenspezifische Prozesse ratsam. Berufseinsteiger haben beispielsweise andere Bedürfnisse und Anforderungen als Top Manager.
Ist die Kandidatin oder der Kandidat erfolgreich in den neuen Job gestartet, gilt es nun, eine langfristige Beziehung zwischen Mitarbeitenden und Unternehmen aufzubauen und aufrechtzuerhalten. Aus der „Candidate Experience“ wird schließlich die „Employee Experience“.
Abschließend lässt sich sagen, dass die Individualisierung und zielgruppengerechte Candidate Journey heute zu den Erfolgsfaktoren im Recruiting zählen. Im stattfindenden Wandel hin zum Kandidatenmarkt gilt es für Unternehmen, mit authentischen, differenzierenden und relevanten Argumenten zu überzeugen, um die Kandidatinnen und Kandidaten für sich zu begeistern und Prozesse zu schaffen, die Spaß machen. Nur so ermöglichen wir der Zielgruppe die Entscheidung für ein ganz individuelles Produkt – ihren zukünftigen Job.
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