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Das Arbeitsrecht 2020 hält viele Änderungen bereit, die Arbeitgeber jetzt beachten sollten. Erfahren Sie von Katrin Scheicht, was uns im kommenden Jahr erwartet.
Können Sie uns einen Einblick geben, was zur Erfassung der Arbeitszeit neuerdings zu beachten ist?
Derzeit sieht das deutsche Recht in § 16 Abs. 2 S. 1 ArbZG vor, dass der Arbeitgeber verpflichtet ist, die über die werktägliche Arbeitszeit hinausgehende Arbeitszeit der Arbeitnehmer zu erfassen. Es betrifft also die über acht Stunden pro Werktag hinausgehende Arbeitszeit sowie Sonn- und Feiertagsarbeit. Eine darüberhinausgehende Verpflichtung zur Aufzeichnung der Arbeitszeit besteht zurzeit nach § 17 Mindestlohngesetz nur für geringfüge Beschäftigungen nach § 8 SGB IV und die in § 2a Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz genannten Wirtschaftsbereiche.
Große Wellen hat daher das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 14. Mai 2019 geschlagen: Der EuGH hat entschieden, dass die Mitgliedstaaten Arbeitgeber dazu verpflichten müssen, ein „objektives, verlässliches und zugängliches“ System zur täglichen Arbeitszeiterfassung der Mitarbeiter einzurichten. Dabei hat das Gericht den Mitgliedstaaten einen Spielraum zur konkreten Ausgestaltung des Systems eingeräumt und ermöglicht die Besonderheiten des jeweiligen Tätigkeitsbereichs und die Größe der Unternehmen zu berücksichtigen.
Ob und wie der deutsche Gesetzgeber die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung für alle Arbeitnehmer künftig ausgestalten wird, ist aber zunächst abzuwarten.
Hat die Vertrauensarbeitszeit somit ausgedient? Welche Möglichkeiten bieten sich hier?
Nach den Vorgaben des oben genannten EuGH-Urteils wird die heutige Vertrauensarbeitszeit, bei der die Arbeitszeit nicht erfasst wird, künftig voraussichtlich nicht mehr so wie bisher möglich sein.
Eine Gestaltung der Vertrauensarbeitszeit derart, dass Arbeitnehmer die Arbeitszeit zwar erfassen, aber insbesondere die Lage der Arbeitszeit (unter Berücksichtigung des Arbeitszeitgesetzes) weitgehend selbst bestimmen dürfen, ist jedoch denkbar. Voraussichtlich wird jedoch der bürokratische Aufwand für Arbeitgeber höher werden und Überstunden sind – wie vom EuGH beabsichtigt – konkreter erfasst.
Unabhängig von der Arbeitszeiterfassung und damit auch der konkreten Erfassung von Überstunden, gilt jedoch weiterhin die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, dass Überstunden nur dann zu vergüten sind, wenn eine Vergütung den Umständen nach zu erwarten ist. Danach ist eine Vergütung von Überstunden insbesondere dann zu erwarten, wenn das Gehalt unter der jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze zur gesetzlichen Rentenversicherung liegt.
Wie schnell müssen Unternehmen auf das aktuelle Urteil des EuGH reagieren und welche Ausnahmeregelungen wird es voraussichtlich geben?
Das Urteil des EuGH hat keine direkten Auswirkungen für Unternehmen, sondern fordert die Mitgliedstaaten auf, zu handeln und gesetzliche Regelungen zur Erfassung von Arbeitszeiten zu schaffen, die mit dem Unionsrecht vereinbar sind. Eine unmittelbare Verpflichtung, Zeiterfassungssysteme einzuführen, gibt es für Unternehmen allein aufgrund des Urteils daher nicht.
Wenn der deutsche Gesetzgeber die Vorgaben des EuGH zur Arbeitszeiterfassung umsetzt, müssen jedoch voraussichtlich viele Unternehmen Zeiterfassungssysteme neu einführen beziehungsweise bestehende Systeme unter Umständen ändern.
Je nach Gestaltung des Arbeitszeitmodells können Änderungen in der Handhabung der Zeiterfassung erforderlich werden. Sofern eine Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeit existiert, ist diese dann auf Anpassungsbedarf zu prüfen.
Auch vor einer Gesetzesänderung könnte das Urteil allerdings indirekte Auswirkungen für Unternehmen haben: Es ist nicht auszuschließen, dass die Entscheidungsbegründung des EuGH zu Erleichterungen bei der Geltendmachung von Überstunden-Vergütung durch Arbeitnehmer führen könnte. Insoweit wird sich zeigen, ob und wie die Arbeitsgerichte mit entsprechenden Forderungen umgehen.
Gerade für Dienstreisen und Homeoffice wird es sicher schwierig die Arbeitszeit zu erfassen. Wie können Unternehmen das lösen?
Die Verpflichtung zur Arbeitszeiterfassung kann zur Einschränkung der durch mobiles Arbeiten und Home-Office geschaffenen und oft von beiden Arbeitsvertragsparteien gewünschten Flexibilität führen.
Um die Flexibilität so weit wie möglich aufrecht zu erhalten, gilt es, nicht nur ein „objektives, verlässliches und zugängliches“ System zu finden oder zu entwickeln, das den rechtlichen Anforderungen des EuGH, die tägliche Arbeitszeit eines jeden Arbeitnehmers zu erfassen, erfüllt. Gleichzeitig ist auch den tatsächlichen Gegebenheiten einer mobilen Arbeitswelt und den sich ändernden Arbeitsorten Rechnung zu tragen. Damit wird die Flexibilität bei mobilem Arbeiten, Home-Office, Dienstreisen und Außendiensttätigkeiten so wenig wie möglich eingeschränkt und dennoch die rechtlichen Vorgaben eingehalten. Denkbar ist diese beispielsweise durch eine App oder ein Tool, das leicht bedienbar vom Smartphone, Tablet oder Laptop genutzt werden kann.
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