Agilität und Dynamik: Darum brauchen wir New Work wirklich!

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21. August 2019
Personal
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Agilität und New Work sind aktuell in aller Munde. Aber wieso genau braucht es eigentlich neue Werte für die Arbeitswelt, welche Strukturen haben sich bewährt und wie verhilft Agilität wirklich zum Erfolgskurs? Die Experten Dr. Robert Harms, Ronny Großjohann und Sevira Patricia Landsberg haben uns hierzu im Interview Rede und Antwort gestanden.

Mitarbeiter haben heute andere Bedürfnisse

Herr Dr. Harms, Herr Großjohann, wie hat sich Ihrer Meinung nach die Arbeitswelt verändert? Was genau ist neu bei Ihnen?

In der Historie der Arbeit, insbesondere der Arbeit im industriellen Umfeld, haben sich im letzten Jahrhundert viele Strukturen, Methoden und Werkzeuge etabliert, die den Bedingungen so heute nicht mehr gerecht werden.

Zu den Zeiten als zahlreiche, wenig qualifizierte Menschen in die Fabriken oder Unternehmen strömten, in denen Wissenserwerb noch ein Privileg war, in denen Maschinen den Takt der Arbeit angaben und in denen Marktveränderungen deutlich langwieriger vonstattengingen, sind viele Mechanismen zur Unternehmensführung entwickelt worden, die auf Effizienz, Kontrolle, Standardisierung, fest definierter Arbeitsteilung und ähnlichen Konzepten basierten.

Dass diese Konzepte heute so nicht mehr aktuell sind, konnten wir auch bei uns im Konzern im Fertigungsumfeld beobachten. Selbst im vermeintlich klassischen langzyklischen Produktionsumfeld haben sich die Rahmenbedingungen inzwischen deutlich verändert – so wie in der gesamten industrialisierten Gesellschaft. Unsere Mitarbeiter und Kollegen sind viel breiter qualifiziert, haben ganz andere Ansprüche an ihre eigene Lebensplanung und Selbstentfaltung und natürlich auch an Teilhabe. Das traditionelle Modell, in dem der Mitarbeiter ein kleines Zahnrädchen mit vordefinierten Aufgabenfeldern und langfristig definierten Abfolgen von Arbeitspaketen ist, lässt sich in unserem Fabrikumfeld nicht mehr abbilden.

Agilität: Fabrik übertrifft alle Erwartungen

Am deutlichsten konnten wir dies in einem Fabrikplanungsprojekt zum Aufbau einer neuen Fertigung für Gasturbinenbrenner am Standort Berlin erfahren. Gestartet mit traditionellen Hierarchien, Kontrollmechanismen und langfristiger Detailplanung sind wir schnell in eine Situation des Stillstands manövriert. Der Erfolg und die Umsetzung des Plans schienen unmöglich. Durch einen radikalen Wandel hin zu selbstorganisierten, agilen Arbeitsweisen, in denen die Projektbeteiligten zu wirklichen Unternehmern und Teilhabern der Sache wurden, wurde das Ruder herumgerissen und letztlich eine Fabrik auf die Beine gestellt, die alle geplanten Erwartungen übertraf.

Augenhöhe statt personengebundene Hierarchien

Was ist die Quintessenz von New Work?

Der Kern von New Work lässt sich schwer in einem Satz beschreiben. Es fängt auf der grundlegenden Kulturebene, dem häufig zitierten Mindset an, das Mitarbeiter und die Beziehungen zwischen ihnen auf Augenhöhe versteht. Vertrauen, Verantwortung, Unternehmertum und Wirksamkeit dürfen nicht als leere Worthülse aufgefasst werden. Im Zweiten sind es strukturelle Unterschiede, die New Work ausmachen.

Traditionelle personengebundene Hierarchien, die feste Machtstrukturen repräsentieren, werden von dynamischen Netzwerkstrukturen, die den Fähigkeiten und Bedürfnissen jedes einzelnen Mitarbeiters Rechnung tragen, abgelöst. Diese Formen können ganz unterschiedlich ausgestaltet sein und sind für jede Organisation einzigartig. Erst im dritten Schritt kommen die Methoden und Werkzeuge zu tragen, die ein kurzzyklisch anpassungsfähiges Arbeiten, das sich konsequent an die sich ständig ändernden Rahmenbedingungen anpasst, ermöglichen.

All das im Einklang und in der richtigen Balance bildet aus unserer Sicht in seiner Gesamtheit, was wir unter dem Begriff New Work verstehen. Zusammengefasst ist es eine Ereigniskette, die sich aus dem Team selbst ergibt. Angefangen mit dem Bewusstsein, über die Organisationsform bis hin zu Methoden und Werkzeuge, die sich organisch und evolutionär entwickeln.

 

Wie wichtig ist das Mindset für agile Organisationen und wie haben Sie es bei sich geschafft, das zu verankern?

Das Mindset oder auch die Organisationskultur ist die immer wieder häufig zitierte, aber leider stiefmütterlich behandelte Basis jeglicher Transformation hin zu Agilität und Selbstorganisation. Unsere Sozialisierung, in den traditionellen Mustern im Kontext von Unternehmensorganisation, beginnt sehr früh im Schulsystem und zieht sich durch ein langjähriges Berufsleben. Im Privaten sind wir da in der Regel schon viel weiter.

Wenn wir uns nicht diese Zeit für ein gemeinsames Verständnis und Mindest nehmen, werden wir die Transformation mit all den neuen Werkzeugen und Methoden, wie Scrum, Kanban, WOL, Design Thinking, etc. nicht meistern. Kultur kommt vor Strukturen. Strukturen kommen vor Methoden, Werkzeugen und Prozessen.

Das richtige Mindset kann nur mit Freiraum entstehen, den man geben und erhalten kann.

Es liegt in unserer Natur ein wichtiger, anerkannter und wirksamer Bestandteil der Gesellschaft zu sein und unseren Wert einzubringen. Aus diesem Mechanismus heraus verspüren wir Erfolg und Motivation, wenn unsere Leistung anerkannt wird. Selbstbestimmt und mit unserem persönlichen Sinn und Zweck verbunden, verstärkt sich dieser Effekt deutlich. Die einfache Frage “Wie würdest du es tun?” öffnet diese Räume. Wir haben diese Frage oft gestellt und es durchgehalten, alle daraus entstehenden Entscheidungen in den Teams zu lassen. Das Ergebnis sind wahrhaft starke Teams, hochmotiviert und selbstbestimmt mit dem aus unserer Sicht richtigen Mindset.

Die Führung auf Augenhöhe ist ein wichtiger Faktor

Kann das jeder lernen? Was werden Führungskräfte zukünftig für Aufgaben haben?

Zusammenarbeit auf Augenhöhe klingt nach einer Selbstverständlichkeit, dort wo Menschen miteinander interagieren. Trotzdem beobachten wir immer wieder, dass diese durch bestehende Strukturen, beispielsweise über Mandate in Hierarchien, künstlich zerstört werden. Für jeden gesunden Menschen ist die Arbeit und auch die Führung auf Augenhöhe nichts was man erlernen muss. Höchstens muss man die „Führung”, die auf unterschiedliche Wertigkeit einzelner basiert, wieder verlernen. Das ist für den Einzelnen manchmal vielleicht anfangs schwierig, aber all unseren Erfahrungen nach sind schlussendlich alle Beteiligten erfüllter, glücklicher und daher auch produktiver.

Die Rolle der Führung muss grundsätzlich neu gedacht werden. Sie wird vor allem darin bestehen, eine Bühne zu bauen, auf der alle Beteiligten mit größtmöglichen Freiräumen für einen gemeinsamen Zweck unternehmerisch agieren können. Das beinhaltet Kompetenzen, die auch heute schon wichtig sind:

Moderieren um Kommunikation und Kollaboration auch über Organisationsgrenzen hinweg zu ermöglichen

Strukturschutz für die Organisation herstellen

Strategische Zukunftsszenarien aufzeigen

Das Ausnutzen von Macht- oder Statusprivilegien wird jedoch nicht mehr hilfreich sein.

Die Rolle der Führung wird weiterhin zentral für den Erfolg bleiben

Anders als die heutige, rigide festgeschriebene, personengebundene Führungsrolle, kann sie deutlich flüssiger und dezentraler werden. Es ist nicht zwingend erforderlich, dass sie an eine Person gebunden ist. Umfeld und Aufgaben eines Teams ändern sich ständig. Es kann von Vorteil sein, dass die Führungsrolle von mehreren Personen, aber auch dynamisch je nach Änderung, wechseln kann.

Im Grunde können wir zukünftige Führung besser verstehen, wenn wir die Perspektive wechseln und den Erfolg einer Unternehmung, in der jeder gleichberechtigt einen Anteil hat, in den Vordergrund stellen und nicht den Erfolg des Einzelnen.

Wie Agilität wirklich zum Erfolgskurs verhilft

Der Weg hin zu einer agile Führungskultur ist für Unternehmen heute sehr erstrebenswert. Doch was sind die Voraussetzungen und was braucht Führung in agilen Zeiten wirklich? Das verrät Sevira Patricia Landsberg im Interview.

 

Frau Landsberg, Sie haben als Beraterin viele Unternehmen erlebt, die versucht haben, eine agile Arbeitskultur zu etablieren. Womit tun sich die meisten schwer?

Eine gründliche Analyse hinsichtlich vorherrschender Organisationsstruktur und gelebter beziehungsweise gewünschter Kultur im Vorfeld der Einführung agiler Strukturen fehlt häufig. Damit meine ich eine differenzierte Auseinandersetzung, was das jeweilige Unternehmen mit Agilität verbindet und erreichen will. Hier bleibt man häufig an der Oberfläche zu allgemein gehaltener Begriffe und arbeitet nicht die feinen Unterschiede und individuellen Bedarfe heraus, die sich alleine aus dem sehr unterschiedlichen Verständnis zu Agilität ergeben.

Agilität muss zu den Persönlichkeiten passen

Vielen Unternehmen ist zudem im Vorfeld nicht bewusst, dass die Einführung von agilen Strukturen automatisch all das an die Oberfläche spült, was in der bisherigen Arbeits- und Führungskultur nicht funktioniert hat. Deshalb sollte darauf geschaut werden, welche Führungspersönlichkeiten und Mitarbeiter im Unternehmen sind und inwieweit agile Strukturen nicht nur zu den Aufgabenbereichen, sondern besonders auch zu den Persönlichkeiten und ihren sozialen Kompetenzen passen.

Es reicht nicht, ein paar Methoden wie Scrum und Co zu schulen. Es geht vielmehr um Bewusstsein, dass eine erfolgreiche Etablierung agiler Strukturen mit intensiven, mehrstufigen Lernprozessen einhergeht und nicht einfach angeordnet werden kann. Wenn man sich hierbei externe Unterstützung sucht, so sollte diese die Arbeitskultur und die Menschen mit geschultem Blick beleuchten können und die Erkenntnisse mit einbeziehen, die es mittlerweile im Bereich Agilität gibt. Eine professionelle Prozessbegleitung über einen längeren Zeitraum einzukalkulieren, ist wesentlich für den individuellen Lernweg, den jedes Unternehmen geht – für die erfolgreiche Umsetzung von Agilität gibt es keine Blaupausen. So können frühzeitig die Weichen dafür gestellt werden, dass Agilität, mit ihren vielen positiven Attributen, ein Unternehmen bereichert.

Führung und Agilität

Was müssen insbesondere Führungskräfte aus Ihrer Sicht beachten?

In meinen Prozessbegleitungen stelle ich immer wieder fest, dass Management und Führungskräfte die bei Agilität angestrebte Selbstorganisation der Mitarbeiter so interpretieren, ihre Teams einfach machen zu lassen. Dies wird noch verstärkt, wenn im Organigramm die Führungsspannen erhöht werden – es bleibt also noch weniger Zeit für Führung, bei erhöhter Anzahl von Mitarbeiter und Teams pro Führungskraft. Agiles Arbeiten braucht jedoch gerade in der Anfangsphase deutlich mehr Führung, als auf den ersten Blick erkennbar: Sinnvolle Rahmenbedingungen, Orientierung und gemeinsames Gestalten erfordern viel Zeit zum laufenden Austausch – dies ist eine Aktivitätsform, die von der Führungskraft nicht in der Haltung eines gelegentlichen Zaungastes ausgefüllt werden kann. Hier ist es wichtig, dass Führungskräfte über Coaching on the Job trainieren, wann und in welcher Form sie im Team die passenden Impulse setzen.

Agile Führung will gelernt sein

Haben Sie ein paar konkrete Tipps, was agile Führung ausmacht und wie sie gelingt?

Zentral ist nach meiner Erfahrung ein Rollenverständnis, in dem Führungskräfte ihren Teams als aktive Reflexionspartner und fachliche Mentoren zur Seite stehen. Um diese Rolle erfolgreich auszufüllen, brauchen Führungskräfte eine hohe Lern- und Reflexionsbereitschaft, da im agilen Umfeld andere Führungskompetenzen zum Einsatz kommen müssen, als in den bisherigen Strukturen von „Command & Control“. Agile Führung lebt davon, das Wissen aller im jeweiligen Kontext anzuzapfen, für alle verfügbar zu machen und damit einhergehende Interaktionen in die richtigen Bahnen zu lenken. Hierfür müssen Führungskräfte professionell moderieren, Prozesse und Menschen verbinden sowie empathisch auf Augenhöhe agieren. Nach meiner Erfahrung können die Wenigsten dies „einfach so“. Somit sollte unternehmensseitig eine Lernkultur gefördert werden, die professionelles Coaching und engmaschigen Erfahrungsaustausch der Führungskräfte untereinander etabliert und permanent weiterentwickelt.

Wenig hilfreich ist eine führungsseitige Haltung wie in der Schule.


S. Landsberg, holicon holistic concepts

Mitarbeiter erarbeiten etwas und werden von der Führungskraft bewertet, mit hohem Fokus darauf, Fehler zu finden. Hiervon müssen sich Unternehmen mit Agilitätsanspruch dringend verabschieden, denn dies fördert die Aufrechterhaltung einer Defizitorientierung, die auf agiles Arbeiten zerstörerisch wirkt. Führungskräfte sollten Kommunikationsräume eröffnen können, in denen sich Mitarbeiter ermutigt fühlen, zu gestalten, auszuprobieren, Verantwortung zu übernehmen und auch in Selbstorganisation hineinzuwachsen.

Auch das Umfeld muss flexibel und agil sein

Aus Ihrer Erfahrung: Was müssen Büroräume mitbringen, damit Agilität entstehen kann?

Agilität wird mit inspiriertem Teamwork, viel Kommunikation und auch bestimmten Abläufen und Arbeitsphasen verbunden. Die alten Besprechungsräume mit großen, unflexiblen Tischen sind hierfür ungeeignet. Flexibel veränderbare Möbel ermöglichen Beweglichkeit, freie Wandflächen sind für unkomplizierte Visualisierung von Arbeitsschritten wichtig. Das Ambiente sollte zum kreativen Experimentieren einladen und das schnelle Zusammenkommen im Team ermöglichen. Genauso muss es andere Bereiche geben, in denen konzentrierte, ungestörte Einzelarbeit möglich ist. Multispace-Flächen, die mit unterschiedlichen Aktivitätszonen ausgestattet sind, gelten in vielen Fällen als am besten geeignet. Doch Räume alleine lassen noch keine Agilität entstehen. Deshalb ist die Einbeziehung von Mitarbeitern und Führungskräften bei der Raumplanung und eine Einführung in die neuen Gegebenheiten essenziell. Besonders wichtig ist aus meiner Sicht auch die Berücksichtigung gesundheitsfördernder Aspekte bei der Büroplanung: Die Räume sollten Arbeits- und Ruhephasen im Wechsel, genauso wie körperliche Bewegung zur Selbstregulation von Stress während der Arbeitszeit ermöglichen. Zusammen mit einer gesundheitsfördernden Kultur wird Arbeiten dann auch darauf abgestimmt, was die Menschen brauchen und fokussiert nicht nur Output-Orientierung. Unternehmen machen damit erlebbar, dass Gesundheit ein wichtiger Faktor in ihrer Unternehmenskultur darstellt. Und dies ist eine wesentliche Grundlage nicht nur für Agilität, sondern auch für die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens.

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Rückblick: New Work 2019

Unsere Welt dreht sich immer schneller, Startups verdrängen Traditionsunternehmen, es wird immer schwieriger, Fachkräfte zu finden und der Unterschied zwischen den Generationen scheint größer zu werden. Ist New Work die Antwort auf all diese Herausforderungen? Lassen Sie sich von Vordenkern aus Startups, Mittelstand und Großunternehmen inspirieren und entwickeln Sie eigene New Work-Ansätze!

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