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Bundesweit befassen sich Banken und Versicherungen mit der Notwendigkeit und den Möglichkeiten einer agilen Organisation. Dabei gehen Vorstellungen und Reifegrade weit auseinander. Andreas Slogar wagt für uns eine Einschätzung.
Die Pressemitteilungen der Commerzbank und der ING zum Wechsel in eine agile Organisationsstruktur haben für Aufruhr gesorgt. Seitdem versuchen fast alle Finanzdienstleister in Deutschland für sich zu definieren, was eine agile Organisation ausmacht: Welche Teile eines Unternehmens müssen agilen Prinzipien der Zusammenarbeit folgen? Wie kann Selbstorganisation jenseits der Führungshierarchie praktiziert werden? Wettbewerber wie die N26 oder die comdirect haben den Zustand einer agilen Organisation schon im Design der Gründungsorganisation etabliert. Sie setzen Maßstäbe hinsichtlich Innovationskraft und Anpassungsfähigkeit. Insgesamt ist ein Trend unter den Finanzdienstleistern zu erkennen, die Nachteile einer hierarchieorientierten Unternehmensstruktur arbeitsteiliger Fachbereiche aufzulösen.
Sieht man sich die Publikationen verschiedener Unternehmensberatungen an, so gehen die Einschätzungen darüber weit auseinander, in welchem Umfang der Wechsel deutscher Finanzdienstleister in eine agile Organisationsform bereits fortgeschritten ist. Einig sind sich scheinbar alle darin, dass der Wechsel erfolgt und dass er notwendig ist, um die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit sicherzustellen. Das ist als Gradmesser sehr aufschlussreich, da diese Darstellung darauf schließen lässt, dass wir es nicht mit einem Hype zu tun haben, der gleich einer Mode nach der kommenden Saison wieder vergessen sein wird.
Ein weiteres Element verbindet den überwiegenden Teil der Finanzdienstleister in Deutschland: Die Einführung und Etablierung agiler Formen der Entwicklung von IT-Lösungen und die agile Durchführung von IT-Projekten werden bereits als Selbstverständlichkeit akzeptiert. Die Nutzung von Methoden und Methodenkombinationen, sogenannter Frameworks, für agile Arbeitsformen in IT-Themengebieten kann als zukünftiger Standard verstanden werden. Die Effekte hinsichtlich einer unternehmensweit verbesserten Kommunikation und Kooperation zwischen den Fachbereichen eines Unternehmens und seiner IT sind nicht von der Hand zu weisen. Und sie erfreuen sich einer immer größeren Beliebtheit, was man nicht zuletzt an der Vielzahl an Fachpublikationen und -konferenzen erkennen kann. Eine Umfrage auf stateofagile.com aus 2018 weist beispielweise aus, dass 97 % der IT-Mitarbeiter u.a. von Finanzdienstleistern Anwendungserfahrung mit agilen Arbeitsformen besitzen.
Die nächste Phase der Entwicklung wird sich mit der Nutzung agiler Kooperationsformen außerhalb der IT befassen. Wie aber können die gleichen Prinzipen und positiven Effekte selbstorganisierter, interdisziplinärer und iterativer Vorgehensweisen auch in der Finanzabteilung, dem Personalmanagement oder der Auftragsabwicklung für Immobiliarkredite eingesetzt und erreicht werden?
Der Ansatz klingt simpler als er ist, da die in der IT genutzten Methoden nicht 1:1 auf den Geschäftsbereich einer Bank angewendet werden können. So braucht es gänzlich neue Ansätze, die heute noch nicht oder nur teilweise existieren beziehungsweise sich in der Entwicklung befinden. Beispielsweise muss das Controlling den inkrementellen Finanzierungsbedarf agiler Projekte verarbeiten können. Dazu wird eine passende Form der rollierenden Budgetierung auf der Grundlage eines interdisziplinären Budget-Pools benötigt.
Auch die Personalabteilung benötigt gänzlich neue Wege zur Karriereentwicklung von Mitarbeitern, die ihren beruflichen Werdegang aktiv selbst gestalten wollen. Nicht zuletzt müssen die Durchführung und Anpassung von Geschäftsprozessen, wie beispielsweise der Risikoprüfung eines Neukunden, neu gedacht werden. Wie kann die Einhaltung der regulatorisch und rechtlich zu beachtenden Vorgaben in einem selbstorganisierten Team von Experten sichergestellt werden? Wie kann dieser Prozess gelingen, ohne dass ein Vorgesetzter die Arbeitsweise und Arbeitsergebnisse der Mitarbeiter steuert?
Diese Fragen können nicht von Methoden beantwortet werden. Es ist noch eine Fülle fachlicher Themen aus einer gänzlich neuen Perspektive zu entwickeln, um die Vorteile agiler Arbeitsformen unternehmensweit einsetzen zu können. Und da wir uns noch in einer frühen Entwicklungsphase des Trends hin zu agilen Organisationen befinden, werden uns die Erfahrungen, Erkenntnisse und Lösungswege noch viele Jahre beschäftigen.
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